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Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption

Titel: Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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beherrschende Christus hinter ihm.
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    »Die meisten von euch sind hier, weil man euch eine letzte Chance geben wollte – ihr seid jung, und der Staat Mississippi ist schwach. Wir unterhalten hier keinerlei Verbindungen zur Außenwelt. Kein Telefon, kein Fernsehen, kein Radio. In Redemption ist kein Platz für die Lüge. Die Lüge ist der Krebs der Seele. Ich bin der Heiler.«
    Der Reverend erforscht die Mienen seiner Zuhörer. Sein Zwergpudel Bingo läuft unterdessen die Bankreihen entlang, knurrt und schnappt hier und dort nach einem Bein, sodass dessen Besitzer gezwungen ist, den Fuß zu heben, um den angriffslustigen Zähnchen zu entgehen.
    »Den Neuankömmlingen unter euch sei gesagt«, fährt der Reverend fort, »dass ihr auf dem Feld arbeiten und zahlreiche Dienste verrichten werdet, um den Anstaltsbetrieb aufrechtzuerhalten und für die Kosten eures Verweilens hier aufzukommen. Euer Stundenlohn beträgt fünf Cent. Der Rest geht an den Staat und an die Anstalt. Ich überlasse es den Vögten, euch über alle administrativen Fragen aufzuklären, und komme zum Wesentlichen. Die Buße, die wir hier üben, besteht in Fasten, Karzer und notfalls auch körperlicher Züchtigung. Wir verurteilen fleischliche Beziehungen jeglicher Art, ebenso Glücksspiel, Drogen und moderne Musik. Bestraft werden ferner Fluchen und der Gebrauch unanständiger Wörter. Die Profose werden euch die Liste der Ausdrücke vorlegen, die anstelle der Standardvulgaritäten zu verwenden sind, ferner die Liste der Strafen für Zuwiderhandlungen. Zur Veranschaulichung ein Beispiel: Man sagt nicht ›Scheißschwuchtel‹, sondern ›Homosexueller‹, und anstelle von ›Arschloch‹ ist ›Kommunist‹ oder ›Kubaner‹ zu verwenden …«
    Der Reverend unterbricht sich und nimmt einen Schluck Wasser. Er blickt gelangweilt ins Publikum, als wäre er von seinem Vortrag selbst angeödet.
    »Vor allem und ganz besonders aber tun wir hier Buße durch Beten. Der Allmächtige erwartet es von uns. Nur um diesen Preis werden wir eure Seelen retten.«
    Als er fortfahren will, hebt sich unter den Zuhörern eine Hand. Er heftet den Blick auf den Schwachkopf, der es wagt, ihn zu unterbrechen. Der Aufschrift auf seinem Overall zufolge heißt der Schwachkopf Chester Hame.
    »Was macht man denn«, fragt er, »wenn man Muslim oder Hindu oder Jude ist?«
    »Man hält den Mund, Homosexueller!«, tönt es von der Seite her.
    Der Reverend dreht sich nach dem Blauen um, von dem die Bemerkung kam.
    »Nur die Ruhe, Mr. Burton. Mr. Hame stellt eine Frage bezüglich des vom ersten Zusatz zur Verfassung der Vereinigten Staaten gewährten Rechts auf Religionsfreiheit. Nicht wahr, Mr. Hame, so ist es doch?«
    Hame kräht von seiner Bank her: »Ja, ja, genau!«
    Mit geschlossenen Augen flüstert der Reverend ins Mikrofon, als führte er Selbstgespräche. »Natürlich«, sagt er. »So ist es immer. Sie denken nur an ihre Rechte. Sie denken nicht an das Leid der anderen und die Wunden der Welt, sondern zählen ihre Rechte auf.« Lauter und wieder offenen Auges fügt er hinzu: »Ich bin die Verfassung von Redemption, Mr. Hame. Ich bin der Anfang und das Ende. Im Staat Mississippi gibt es eine Enklave, in der allein das Gesetz Gottes regiert. Ob Sie Jude, Muslim, Heide oder Luftkünstler sind: Sie beten. Egal, wie. Egal, warum. Sie beten mit Ihren heidnischen und muslimischen Worten, und Gott wird Sie hören. Reicht Ihnen das als Antwort, Mr. Hame?«
    In den Augen des Reverends schimmert jetzt ein metallener Glanz.
    »Ja«, stammelt der Junge.
    »Wie heißt das, Mr. Hame?«
    »Ja, Sir.«
    Der Reverend wendet sich an Burton.
    »Vielleicht aber haben Sie doch recht, Mr. Burton. Ich glaube fast, wir haben ein Problem mit Mr. Hame. Nicht wahr, Mr. Hame?«
    Der Junge sinkt in sich zusammen. »Ich verstehe nicht«, stottert er.
    »Das ist doch ganz einfach. Sind Sie Muslim, Jude, Päderast, Luftkünstler oder sonst etwas Unaussprechliches, Mr. Hame?«
    »Äh … nein.«
    »Wie heißt das, Mr. Hame?«
    »Nein, Sir.«
    Der Reverend dreht sich zu den Blauen und Roten um. Der Profos Burton grinst.
    »Ich wiederhole also meine Frage«, sagt der Reverend, abermals an seine Zuhörer gewandt. »Sind Sie ein guter Amerikaner, Afroamerikaner, amerikanischer Jude, amerikanischer Muslim, amerikanischer Homosexueller oder ein verdammter amerikanischer Luftkünstler, oder sind Sie ein dreckiges kommunistisches Gewürm aus Europa oder ein dreckiges kommunistisches Gewürm aus Asien oder ein

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