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Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption

Titel: Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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Howie?«
    »Yeah.«
    »Fuck, wo hast du die Kippe her?«
    »Ich hab immer eine oder zwei am Körper versteckt, für große Anlässe.«
    »O Mann! Ich würde glatt wen umbringen für eine Kippe!«
    Howard stößt den nächsten Schwall Rauch aus. »Ich hab erst mal nur Tiere umgebracht«, sagt er.
    »Hä? Wieso das denn? Arme Tiere!«
    »Ich weiß nicht. Es hat mir Spaß gemacht, und gleichzeitig war’s eklig.«
    »Ich hab auch ganz schön viele Tiere umgebracht!«
    »Bei dir zählt das nicht, Ezzie.«
    »Und wieso nicht?«
    »Weil du dich sowieso nie an was erinnerst, deswegen sind das keine echten Morde.«
    »Stimmt nicht! Stimmt überhaupt nicht! Klar, ich hab nicht so viel Platz im Gedächtnis, aber deswegen muss ich mir eben die Sachen aussuchen, an die ich mich erinnern will.«
    »Ach ja? Und kannst du mir sagen, wann du geboren bist?«
    »Natürlich! Beim Tod meiner Mutter. Ich hab sie umgebracht, weil ich ihr von innen den Bauch aufgeschlitzt habe.«
    »Mann, Ezzie, das hab ich dir doch schon hundert Mal erklärt: Man hat ihr einen Kaiserschnitt gemacht, und sie ist bei deiner Geburt gestorben.«
    »Trotzdem. Das ist der Tag, an dem ich geboren bin. Also ich erinnere mich sehr wohl!«
    »Und was war das für ein Tag?«
    »Ein Freitag.«
    »Welches Jahr?«
    »Du musst mich echt immer niedermachen, oder?«, grummelt Ezzie vor sich hin. »Mister Howard Cullen erinnert sich ja an alles. Mister Howard Cullen weiß, wie meine Mutter gestorben ist, und er hat mehr Tiere umgebracht als ich.«
    »Habt ihr’s dann, ihr zwei? Na los, Howard, mach du weiter.«
49
    Howard zieht an seiner Zigarette und schickt eine Rauchwolke durch die Lüftungsschächte.
    »Also. Wir haben in Scarlton, Georgia, gewohnt. Hatten unsere Bude im ehemaligen Reichenviertel. Windiges Haus, baufällig, aber war wohl mal ganz schön, in seinen guten Tagen. Das Armenviertel, das waren früher die Schlachthofgebäude, die in Sozialwohnungen umgewandelt wurden, mit Brachflächen dazwischen, auf denen nur Müll herumlag. Jahre später stank es immer noch nach Blut und Fleisch. Ich hatte eine so glückliche Kindheit, wie es mit einem arbeitslosen Vater und einer depressiven Mutter halt ging. Also nichts, womit ich protzen könnte. Mein Vater hat mich nie geschlagen. Er war eigentlich eher gutmütig, einer, mit dem man gut reden konnte. Eher der schweigsame Typ, weil er ständig auf meine Mutter aufpassen musste, damit sie sich nicht umbrachte. Beispiel: Einmal saßen wir beim Abendessen, meine Mutter schien ganz gut drauf. Sie erzählte alles Mögliche, aß aber nichts, sondern hatte die Hände unter dem Tisch. Irgendwann wurde sie bleich, und mein Vater sah das, stand auf und sagte: ›Gib her.‹ Sie sagte: ›Was?‹, und er sagte: ›Das weißt du ganz genau.‹ Daraufhin reichte ihm meine Mutter ziemlich belämmert die große Fischschere, mit der sie sich heimlich unter der Serviette die Pulsadern aufgesäbelt hatte. Sie verspritzte ihr Blut unter den Tisch, und währenddessen plauderte sie ganz entspannt mit uns. So eine war sie, meine Mutter. Sterben war ihr Lebenszweck. Manche stehen aufs Häkeln oder aufs Lesen, andere machen ehrenamtliche Arbeit. Meine Mutter wollte sich ständig auf irgendeine Weise umbringen. Das war ihr Ding. Mein Vater überwachte sie sogar noch auf dem Klo. Nachts musste er oft aufstehen, um das Gas abzudrehen. Irgendwann fing er an, meine Mutter einfach ans Bett zu fesseln und mit Schlafmitteln vollzupumpen, damit sie nachts Ruhe gab.«
    Je mehr Howard erzählt, desto mehr Erinnerungen tauchen auf, wie Blasen im Schlamm.
    »Einmal vergaß mein Vater anscheinend, die Knoten ordentlich festzuziehen, aber im Nachhinein denke ich, dass er einfach die Schnauze voll hatte und sie absichtlich nicht festgebunden hat. Jedenfalls fand ich Mama morgens am Küchentisch sitzen. Sie hatte die Fischschere in einen Spalt in der Tischplatte gerammt, die Hände im Nacken verschränkt, sich bis auf ein paar Millimeter über die Schere gebeugt und den Mund weit aufgemacht, und dann hat sie sich selber den Kopf nach vorn geschlagen. So haben sie’s nachher rekonstruiert. Also die eine Klinge der Schere hat ihren Gaumen durchbohrt, die andere ist ihr ins eine Nasenloch eingedrungen. Und in der Blutlache auf dem Tisch, die dick und dunkelrot war wie Lack, lag eine leere Schachtel Schlaftabletten und eine umgekippte Whiskyflasche, ebenfalls leer. Ich machte mir eine Schale Froot Loops, setzte mich ans andere Tischende und sah Mamas Leiche an.

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