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Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption

Titel: Sühneopfer - Graham, P: Sühneopfer - Retour à Rédemption Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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Identität überprüft und sein Wagen von oben bis unten durchsucht wird, versucht er, dem Polizisten Auskünfte zu entlocken. Ein Landstreicher werde gesucht, knurrt der Beamte missmutig.
    »Was denn für einer?«
    »Großer Typ.«
    »Wie groß?«
    »Groß halt.«
    Endlich darf er weiterfahren und sieht die Straßensperre im Rückspiegel kleiner werden. Der Wald rast an ihm vorbei. Bis Great Falls hat er noch gedacht, er könnte seinen Rückstand aufholen. Weit gefehlt.
    Shepard erreicht die Außenbezirke von Gipsy. Heruntergekommene graue Häuser, Brachflächen dazwischen, eine Großbaustelle, aus der ein Einkaufszentrum hätte werden sollen, die aber wohl für immer aufgegeben wurde. Werbetafeln von Bauträgern bieten Grundstücke für Einfamilienhäuser zu absolut unschlagbaren Preisen an: Je näher man Gipsy kommt, desto billiger wird es – die Stadt wird verramscht.
    Shepard folgt der Hauptverkehrsader. Die Geschäfte sind mit Rollgittern verschlossen, der Parkplatz des Supermarkts ist leer. Ein Kino verkündet, dass auf Geheiß des Sheriffs sämtliche Vorstellungen heute abgesagt sind. Die Schauplätze der Morde dieser Nacht – Gärten und Teile von Grünanlagen – sind mit gelben Bändern abgesperrt. Ein letztes Aufbäumen. Die letzten Meilen. Shepard sieht Ezzie vor sich, wie er in Redemption im Gras liegt. Er sieht den Lexus in praller Wüstensonne stehen und die in ihren Kindersitzen erstarrten Zwillinge. Immenser Hass und abgrundtiefe Trauer schnüren ihm die Kehle zu. Und endlose Reue. Er versucht, sich Wendys Gesicht in Erinnerung zu rufen. Ob er sie gleich erkennt? In der Tiefe seines Gedächtnisses sucht er nach dieser Liebe seiner Jugend. Barbaras Gesicht schwebt über Wendys Körper.
    Shepard passiert weitere gelbe Absperrungen, weitere Teams von der Spurensicherung, weitere verrammelte Häuser. Er parkt seinen Jeep vor der Dienststelle des Sheriffs von Gipsy und steigt aus. Im Hof steht ein mit einer Plane abgedeckter Container. Shepard hebt eine Ecke der Plane an und späht hinein: Der Container ist randvoll mit den Leichen von Katzen und Hunden. Eine kompakte Masse aus Fell, Pfoten, Zähnen. Shepard lässt die Plane fallen und wischt sich die Hände ab.
67
    In den Räumen drinnen steht der Zigarettenrauch wie eine Nebelwand. Auf dem Fußboden laufen die Spuren schmutziger Schuhsohlen kreuz und quer durcheinander, und es riecht nach abgestandenem Kaffee und dem Mief überarbeiteter Polizisten. Shepard zeigt der Frau am Empfang einen Fahnderausweis.
    »Ich möchte den Sheriff sprechen. Ich bin hinter derselben Beute her wie er und habe Informationen, die ihn interessieren dürften.«
    »Warten Sie hier.«
    Die Frau öffnet eine Tür und streckt den Kopf hinein. Durch den Spalt sieht Shepard eine Meute Bullen, die sich vor einer riesigen Landkarte an der Wand drängen. Erregte Stimmen, alle reden durcheinander. Die Frau schließt die Tür wieder und deutet auf einen anderen Raum.
    »Da hinein, bitte. Der Sheriff empfängt Sie gleich.«
    Shepard setzt sich in einen zerschlissenen Ledersessel und lässt den Blick über das Reich des Sheriffs wandern. An den Wänden hängen Jagdtrophäen, die Köpfe erlegter Wildschweine und Hirsche. Sogar ein Puma mit aufgerissenem Maul ist darunter. Gipsy, die Heimat der Enthaupter. Draußen wird eine Tür zugeknallt, und gleich darauf öffnet sich die Tür zum Büro des Chefs. Herein kommt, noch mit erdverkrusteten Stiefeln, der Sheriff und verbreitet einen Geruch nach Blut und modrigem Wald. Er lässt sich in seinen Sessel fallen, füllt einen Becher mit Kaffee und einem Schuss Schnaps und schiebt ihn Shepard hin. Er leert seinen eigenen Becher und schenkt sich noch einmal nach, diesmal mit einem großzügigeren Schuss Schnaps. Trinkende Jäger.
    Shepard nimmt einen Schluck kalten Kaffee und sagt: »Ich verfolge den Mörder seit Idaho. Eigentlich seit Las Vegas.«
    »Idaho oder Las Vegas?«
    »Las Vegas.«
    »Wie sieht er aus, Ihr Mörder?«
    »Er bringt Katzen und Hunde um. Auch alte Frauen.«
    Die Miene des Sheriffs hat sich verdüstert.
    »Sind Sie ein Scheiß-Kopfgeldjäger oder so was in der Art?«
    »So was in der Art.«
    Der Sheriff versucht nachzudenken, aber er ist zu kaputt. Er seufzt und zündet sich einen Zigarrenstummel an.
    »Die Tiermorde haben gestern Abend Schlag zehn angefangen. Wir dachten zuerst, es ist irgendein bescheuertes Spiel von Halbwüchsigen, das irgendwann gekippt ist – wir haben hier ja jede Menge jugendliche Arbeitslose. Sie

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