Sühnetag - Patterson, J: Sühnetag - Worst Case
nichts gemacht. Ich wurde von einem gewissen Mark dafür bezahlt, die Brücke runterzuspringen. Er hat gesagt, er sei von Birdhouse – Sie wissen schon, die Tony-Hawk-Skateboard-Firma. Er sagte, er bräuchte ein paar geile Aufnahmen für einen ihrer neuen Filme. Ich weiß, es war nicht ganz legal, aber er hat mir zehn Riesen in bar versprochen und die Hälfte im Voraus bezahlt. Meinte, ein Schwarzer würde an der Ecke Amsterdam Avenue einen Koffer abstellen. Den sollte ich mit dem Motorrad zur Brücke fahren und so weiter. Ich schwöre bei Gott, das ist die Wahrheit.«
Ich starrte den dämlichen Typen wutentbrannt an.
» Was hast du dir gedacht, als ich mit der Waffe auf dich zielte? Dass wir hier mit der Strasberg-Methode arbeiten?«
» Ja«, antwortete der Junge mit Nachdruck. » Ich dachte, das gehört alles zum Film. Heißt das jetzt, dass die Kameras gar nicht eingeschaltet waren?«
Konnte jemand überhaupt so dumm sein? Der hier war es.
» Sie sind immer noch eingeschaltet«, sagte ich, als zwei uniformierte Bronx-Polizisten auf uns zukamen. » Die nächste Szene ist die, in der du in den Knast wanderst.«
» Dieser Idiot sagt, er sei dafür bezahlt worden, von der Brücke zu springen«, erklärte ich Emily im Wagen. » Ich glaube ihm sogar.«
Unsere Ermittlungen waren eindeutig ein Reinfall. Wir hatten das Geld und die Spur zu Hastings’ Sohn verloren. Wir waren übers Ohr gehauen worden, hatten die Sache verpatzt.
Wir verglichen unsere Aufzeichnungen mit dem Rest des verwirrten Überwachungsteams, als Gordon Hastings, der Vater, mit seiner Limousine vorfuhr.
» Ihr habt’s versaut! Ihr habt mein Geld verloren! Ihr habt meinen Sohn umgebracht!«, schrie er mit rotem Gesicht, während er am Straßenrand entlang auf mich zukam.
Zu seinem Glück schaffte er es nicht an den sechs Polizisten und Agenten vorbei, die zwischen uns standen. In diesem Moment war ich so frustriert, dass ich diesem Kerl mit Wonne die Millionärszähne ausgeschlagen hätte, egal, ob er der Vater eines entführten Jungen war oder nicht.
52
Fünf Minuten später rasten Parker und ich zum dreizehnten Revier, wo die beiden Verdächtigen hingebracht worden waren.
Nachdem ich im Büro des Captains beim Münzenwerfen verloren hatte, kam mir die ehrenvolle Aufgabe zu, dem Polizeipräsidium auf dem One Police Plaza das Fiasko zu melden. Selbst mein für gewöhnlich herzloser Dienststellenleiter mit der irischen Landkarte auf dem Gesicht nickte mir mitfühlend zu, bevor ich mich auf den Weg machte, um mir meine Tracht Prügel abzuholen. Als ich meinen Sack mit schlechten Nachrichten ausgekippt hatte, dachte ich, meine Ohren würden von der Zungenpeitsche des Chiefs bluten.
Ich hockte noch immer auf einem der Plastikstühle, die aus Ed Kochs Zeit als Bürgermeister stammten, und leckte meine Wunden, als Emily vom Verhör des zweiten Verdächtigen zurückkam.
» Die gleiche Geschichte«, sagte sie, klappte ihr Notizbuch zu und ließ sich auf den verkehrshütchenorangenfarbenen Stuhl neben mir fallen. » Sowohl der schwarze Glatzkopf als auch der Junge wurden von dem geheimnisvollen Mark bezahlt. Sie beschreiben ihn als stämmigen weißen Motorradtypen mit rotem Abraham-Lincoln-Bart und von oben bis unten tätowierten Armen. Ob das nur eine Verkleidung ist?«
» Kann ich mir nicht vorstellen.« Ich zuckte mit den Schultern. » Jetzt stehen wir wieder am Ausgangspunkt. Ach was, noch viel schlimmer.«
Dan Hastings war verschwunden. Die fünf Millionen Dollar waren verschwunden. Ich hätte beinahe einen leichtsinnigen, jungen Motorradfahrer erschossen und einen leichtsinnigen, älteren Multimillionär zusammengeschlagen. Selbst für jemanden in meinem Job häufte sich all das zu einem ziemlich üblen Arbeitstag an.
» Wir müssen Bestandsaufnahme machen«, schlug ich vor. » Wir holen uns Kaffee und gehen durch, was wir bisher wissen.«
Gegenüber dem Gerichtsgebäude in der Bronx fanden wir einen griechischen Imbiss.
» Wir wissen von Jacob Dunnings Entführung, dass unser Täter illegale Einwanderer benutzte, die für ihn Mobiltelefone kaufen sollten. Glauben Sie, er hat wieder einen Mittelsmann benutzt – diesen Mark –, der das Geld für ihn in Empfang nehmen sollte?«
» Möglich wäre es«, antwortete Parker. » Aber alle Hinweise deuten darauf hin, dass unser Unbekannter ein Einzelgänger ist. Andererseits drängt sich mir immer mehr der Verdacht auf, dass es eben doch um Geld ging. Er tötet die ersten beiden Opfer, um
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