Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sünden der Faulheit, Die

Sünden der Faulheit, Die

Titel: Sünden der Faulheit, Die Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Peltzer
Vom Netzwerk:
an. Dann wechselte seine Miene, er fletschte die Zähne.
    »Na, wat will ick wohl? Mit dir Halma spieln?«
    »Ich wüßte nicht, daß du Geld von mir bekommst«, sagte Lacan ruhig und drängte sich an Eddie vorbei. Eddie versuchte, ihn an der Schulter festzuhalten, doch Lacan stieß ihm hart vor die Brust, und Greffrath fiel krachend vor die Preßspanwand des Klos, dann rutschten ihm auf dem Kachelboden die Füße weg.
    Die Kellnerin steckte ihren Kopf aus dem Küchenverschlag, als Lacan von der Toilette kam. Aus der geöffneten Spülmaschine stieg Wasserdampf kreiselnd neben ihr hoch.
    »Ich komm’ gleich wieder«, sagte Lacan und ging nach draußen. Eddie war aufgestanden und klopfte Dreck von seiner Hose. Mechanisch strich er sich die Haare glatt.
    Eddie war nicht nur feige, sondern auch rachitisch dürr. Er hatte gelernt, Erniedrigungen zu ertragen bis zum Jüngsten Tag, doch er vergaß keine.
    »Wo isser?« fragte Eddie.
    Die Kellnerin wies auf die Straße, wo Lacan die Faust ballte und den Mittelfinger zu jener obszönen amerikanischen Geste hervorspringen ließ. Dann drehte er sich eilig um und lief zu seinem Opel. Eddie stand hinter der großen Scheibe und verzog hämisch den Mund.
    »Dit krißte wieder, Lacan, dit schwör ick dir!«
     
    Der Pilot des Flugzeugs aus Amsterdam drosselte zum letztenmal die Triebwerke. In der Mitte der Kabine leuchtete das »Fasten Your Seatbelt«-Zeichen, die Stimme einer Stewardeß kündigte die Landung an. Die Maschine neigte sich in einer langen Schleife und stieß durch die niedrig hängende Wolkendecke. Deutlich sah man das geometrische Muster einer Trabantenstadt am südlichen Rand der Piste. Ruckend verlor das Flugzeug an Höhe.
    Franz Belasc hatte die Augen geschlossen und lutschte eines der Bonbons, die die Stewardeß vor wenigen Minuten den Reisenden angeboten hatte. Als das Flugzeug auf der nassen Rollbahn aufsetzte, spuckte Belasc das Fruchtbonbon in den Aschenbecher in seiner Armlehne, und Steenbergen blickte ihn mißbilligend an. Die Höhenruder klappten nach oben. Am Ausgang lächelte die Stewardeß Belasc kurz zu, bevor er im Neongang zur Paßkontrolle verschwand. Die Passagiere drängelten vor dem Schalter des Zollbeamten, der ihre Ausweise nur flüchtig durchblätterte. Belasc stand ein Stück hinter Steenbergen, zwischen seinen Beinen den Handkoffer des Holländers, dessen silbergraue Haare eine Idee zu lang waren.
    Steenbergen war Ende Fünfzig und hatte wechselhafte Jahre hinter sich. Nach den Monaten im Reformstrafvollzug hatte er beschlossen, seine Geschäfte in Zukunft alleine zu machen; David Blumenfeldt wußte bis zum Schluß nicht, wer der Drahtzieher seines Falls gewesen war. Nur vor Mertens mußte Steenbergen sich in acht nehmen, aber Mertens war unentbehrlich.
    Steenbergen bezweifelte, ob Belasc jemals soviel Format besitzen würde, um dessen Stelle einzunehmen, obwohl er große Fortschritte gemacht hatte, seit dem Abend in einer Bar in Wien, in der er Steenbergen nach seiner Entlassung vorgestellt worden war. Als Steenbergen ihn schon kurze Zeit später zu einer Reise nach Bali einlud, hatte Belasc geglaubt, der Holländer sei schwul, doch Steenbergen hatte ein genaues Auge für die Fähigkeiten anderer Menschen. Belasc war selbst überrascht gewesen, wie leicht ihm das Lernen bei dem Privatlehrer fiel, den Steenbergen gemietet hatte.
    Steenbergen reichte seinen Paß durch den Schlitz in der Panzerglasscheibe, hinter der ein einfältiger Beamter in grüner Uniform saß. Belasc mußte auf einer Ablage den Handkoffer öffnen. Die Zöllner lasen verständnislos in den Unterlagen und winkten ihn weiter. Steenbergen wartete hinter der Sperre.
    Vor dem nächsten Schalter lagerten türkische Familien inmitten verschnürter Kartons und berstender Koffer. Kleine Mädchen in knielangen Kleidern, die Haare schon unter bunten Kopftüchern versteckt, spielten in dem Durcheinander Fangen. Drei Männer hockten am Rand und legten Karten auf den Boden.
    Der Senat zahlte Rückzugsprämien, um Berlin wieder ganz deutsch zu machen.
    Steenbergen beobachtete erstaunt die vielen fremden Gesichter. Eine der Frauen trug einen Tschador, der sie von Kopf bis Fuß schwarz verhüllte.
    »Als Moslem kannst dir vier von denen halt’n«, sagte Belasc.
    »Wo oft schon eine zuviel ist.«
    »Im Orient ist es vielleicht anders.«
    »Wahrscheinlich!«
    Steenbergen knöpfte seinen schweren Lamahaarmantel zu und sah sich um.
    »Niemand da?«
    »Wußte ja keiner, daß wir

Weitere Kostenlose Bücher