Sünden der Faulheit, Die
Fensterrahmen.« Die merkwürdige Schleifspur verschwieg er.
»Das ist nicht sehr ergiebig«, murmelte Florence. Sie biß auf ihre Unterlippe.
Plop, Maier-Brüninghaus hatte mit einem Ruck den Stöpsel aus der Kanne gebracht und bot den Kaffee an. Florence winkte ab.
»Wir müssen Geduld haben«, sagte er. »Vielleicht melden sich die Diebe.«
»Oder es war tatsächlich nur ein Verrückter.«
Florence stand auf, und Westhov blätterte in einem blauen Notizblock.
»Wir müßten uns mal mit dem Eigentümer in Verbindung setzen.«
»Ist schon geschehen!« warf Kleinschmid eilig ein, und Maier-Brüninghaus ergänzte:
»Ich habe gleich ein Telex geschickt, wahrscheinlich trifft er noch heute in Berlin ein.«
»Ich würde gerne mal mit ihm sprechen«, sagte Westhov und faltete behaglich seine Hände im Schoß.
Als Florence in Begleitung von Dr. Kleinschmid das Büro verließ, wurde sie unfreiwillig Zeugin eines unverschämten Blickficks zwischen dem Akademiedirektor und dem jungen Mann, der mit verschränkten Armen an einem Bücherregal lehnte.
Schlecht gelaunt trat Florence auf die Straße und schnippte die eben erst angerauchte Zigarette in eine Pfütze, in der sie zischend untertauchte.
Vor der Börse lief Wilhelm Mertens einer rothaarigen Frau in die Arme, die einen störrischen Pudel an der Leine führte. Er hatte sie zu spät gesehen, um ihr noch ausweichen zu können.
Rita trug ein knallenges Tweedkostüm, gepunktete Strümpfe und rote Pumps, die weder zur Jahreszeit noch zum Farbton ihrer Haare paßten. Sie sah ihn abschätzend an.
»Na, Wilhelm, Geschäfte?«
»Man tut, was man kann.«
»Richtig!«
»Zum Beispiel das Geld zusammenbringen, das wir so verfressen!«
»Ist ja schon ’ne Zeitlang her«, sagte Rita.
»Übertreib’ nicht, vor zwei oder drei Wochen waren wir im ›Phoenix‹.«
»Wir haben uns nach dem Essen an der Bar getroffen.«
Mertens schnitt eine Grimasse. Ritas Begleiter und sein Gast, eine Schreibkraft seines Anwalts, die während des ganzen Abends den Mund nicht aufgemacht hatte, waren auf der Toilette gewesen, als sie sich verdrückten.
»Hast du dich nicht amüsiert?«
»So gut wie lange nicht!«
Der Pudel tänzelte frierend um ihre Beine. Mertens sah flüchtig auf die Uhr.
»Also wann?« fragte Rita.
»Morgen abend, zu dieser Vernissage.«
»Holst du mich ab?«
»Sicher.« Mertens schlug den Mantelkragen hoch. Rita hauchte einen Kuß auf seine Wange und stöckelte davon, der Pudel wedelte mit seinem Stummelschwanz und riß an der Leine.
Warum nicht? dachte Mertens, als er in Richtung Gedächtniskirche schlenderte. Genaugenommen war Rita seine letzte Frau gewesen, denn bei der Phonotypistin, die es drei Tage später endlich wissen wollte, war er zu betrunken gewesen.
Auf dem Europacenter drehte sich träge der riesige Mercedesstern. Wenn er nachts blau über die Stadt strahlte, waren alle Zweifel ausgeräumt, wem die Welt gehört.
Der weite Platz vor dem Bahnhof Zoo wurde durch die verrottete Bahnhofshalle, das Gelände des Zoologischen Gartens und ein Hochhaus auf Stelzen gerahmt. Zur Stadt hin war er offen. An der Ecke vor dem Kiosk fuhr Mertens kalter Wind durchs Gesicht. Hier war es immer kalt und windig. Die ältere Frau hinter den Zeitungsstapeln, deren Hände in kuppenlosen Wollhandschuhen steckten, rief ihm hinterher: »Ihr Wechselgeld, mein Herr, hallo«, doch Mertens hörte nicht, und sie legte die 40 Pfennige in einen aufgeklappten Eierkarton. Im Gehen überflog Mertens die Schlagzeilen. In einer Überschrift die Fetzen eines Ministerzitats: Den Gürtel enger schnallen, darunter war ein Foto des aufgeblähten Ministerkörpers. Mertens fiel ein alter Werbeslogan ein: darauf einen Dujardin.
Um die Gedächtniskirche waren die Buden der Straßenhändler und Losverkäufer aufgebaut, in der Kunsthalle gegenüber stand das Kaiserpanorama. Mertens überquerte die Budapester Straße und suchte sich ein Taxi.
Leschek saß in seinem Büro und hatte den Kopf auf den Tisch gelegt, er war erschöpft. In der Nacht hatte er mit seiner Frau über das Angebot der Verleger aus Stuttgart geredet. Er sollte das Musikprogramm eines Privatkanals für Baden-Württemberg planen – mit der Aussicht auf einen Chefredakteursessel. Man hatte ihm freie Hand versprochen.
Leschek wollte fort aus Berlin. Vor einigen Tagen hatte seine Frau im Zimmer des ältesten Sohnes, er war vierzehn, ein Klümpchen Haschisch entdeckt. Stuttgart oder ein Haus auf dem Land waren
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