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Sünden der Faulheit, Die

Sünden der Faulheit, Die

Titel: Sünden der Faulheit, Die Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Peltzer
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Kühlschrank. Belasc stellte sich zu dem Juwelier. Aus einem Ghettoblaster quengelte klagende kurdische Musik; neben der Türe zum Klo hing ein Plakat, das an den Tod Yilmaz Güneys gemahnte. Der Juwelier trank Belasc zu, der schulterzuckend zur Theke wies.
    »Das Börek ist gut hier!«
    »Sie kennen sich aus?«
    »Das kann man wohl sagen!«
    »Sie wohnen hier?«
    »Ich hab ’n Geschäft um die Ecke.«
    Der Türke hatte das Essen hinter der Vitrine auf einem Pappteller gerichtet. Belasc balancierte sein Nachtmahl zu dem Stehtisch, der Juwelier bestellte noch einen Raki. »Is’ gut? Kenn ich garnet«, sagte Belasc mit fettigen Lippen.
    »Kemal, mach uns mal zwei!« rief der Juwelier.
    Der Türke trug einen versifften Nyltestkittel. Seine Nägel waren abgekaut, und die Rillen der Finger glänzten ölig. Vor vier Tagen war sein Bruder, der keine Aufenthaltsgenehmigung besaß, von einer Zollstreife auf dem Bahnhof Schöneberg gestellt worden. Ein Deutscher hatte dem Flüchtenden ein Bein gestellt, und andere Fahrgäste hatten sich auf ihn gestürzt, als er fiel. Belasc und der Juwelier stießen an.
    »Ich muß dann wieder«, sagte Belasc schließlich und knöpfte seinen Mantel zu.
    Neben dem Imbiß waren Bordelle. In den Fenstern hingen Pin-up-Fotos, die mehr versprachen, als drinnen gehalten wurde. Die Preise waren gestaffelt wie die Qualität der Huren. Die ersten, denen Belasc begegnete, waren so häßlich, daß man sich wunderte, wie sich in dieser Kategorie Freier fanden. Eine von ihnen hieß Lotti, eine ausgemergelte Alkoholikerin, der die Schneidezähne fehlten. »Ick blase auf Felge!« war ein Spruch, den man von ihr kolportierte.
    Nachdem er das Elend passiert hatte, verlangsamte er seinen Schritt. Im Aufgang zu einer Pension standen zwei Frauen mit geöffneten Pelzmänteln. Die rechte trug hochhackige Stiefel, deren Stulpen über die Knie reichten, die linke ein rüschenbesetztes knappes Höschen und einen weit ausgeschnittenen lachsfarbenen Pulli. Sie sah ihn herausfordernd an. Belasc zögerte einen Augenblick, dann ging er auf sie zu.
    Im Hochparterre hockte eine Art Portier hinter einem Küchentisch.
    »Nummer  12 ?« fragte er, als ob es noch etwas zu fragen gäbe, und händigte ihr einen einzelnen BKS -Schlüssel aus. Die Zimmer lagen in den beiden nächsten Stockwerken. Ilona hatte Franz Belasc untergehakt, als sie auf dem Absatz zwei Männern begegneten.
    Eifersucht war ein Gefühl, das im Berufsleben einer Nutte nicht existiert. Für Assi war der kleine Finger schon zuviel gewesen. Wahrscheinlich war es Absicht, daß er Belasc im Vorbeigehen rempelte, doch bevor es zu einer Schlägerei kam, hatten Eddie und Ilona die Kontrahenten nach unten und oben weitergezogen.
     
    »Sach ma, tickst du noch janz sauber?« fragte Eddie auf der Straße. Assi antwortete nicht, sondern stierte mit roten Ohren aufs Pflaster.
    »Mann, Assi, diss’ ne Nutte«, sagte Eddie. Assi sank schwerfällig in den Beifahrersitz.
    »Hörste mir überhaupt zu?«
    »Leck mich!« sagte Assi.
    Eddie schüttelte den Kopf.
    »Mach keene Jeschichten, Alter«, sagte er, doch Assi hörte ihm nicht zu.
     
    Die Gummimatte lag zerdrückt unter der Pritsche. Ilona saß auf dem Rand eines plüschigen Clubsessels und schminkte sich, Belasc stand am Becken und wusch seine Hände. Als er gehen wollte, legte sie geübt ihre Arme um seinen Hals.
    »Wann kommst du denn mal wieder, mein Schatz?«
    Belasc grinste. »Morgen vielleicht?«
    »Ick würd’ mir freuen!«
    Belasc verließ das Zimmer, und Ilona zog die Scheine unter dem Aschenbecher hervor und steckte sie in ihr Operntäschchen.
    Die Frau in den Stulpenstiefeln wandte den Kopf, als hinter ihr die Haustüre quietschte. Der Wind trieb Graupeln in den Aufgang. Ein Neonpfeil: »Hotel« wies mattgelb nach oben. Aus einem Taxi kletterten drei aufgedrehte Männer und stolperten in das »Pik 7 « nebenan. Der filzige Windfang bauschte sich eine Sekunde nach draußen, bis der Rausschmeißer die schwere Stahltüre wieder ins Schloß zog. Belasc stieg in das Taxi. Auf der anderen Straßenseite gingen Grüppchen von Tamilen auf und ab, ihre Gesichter verschmolzen mit der Dunkelheit.
     
    Bernhard Lacan stand vor dem Spiegel im Badezimmer. In dem weiten schwarzen Anzug sah er fast seriös aus, und es schien ihm, als verdeckten seine Bartstoppeln die geschwollene Lippe. Vorsichtig putzte er seine Zähne und verließ die Wohnung. Im ersten Stock war ein heftiger Streit. Lacan lauschte auf dem

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