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Sünden der Faulheit, Die

Sünden der Faulheit, Die

Titel: Sünden der Faulheit, Die Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Peltzer
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sagte, sie müsse sich noch um die Kunden kümmern, und in der Menge verschwand. Mertens war bei Florence also aus und ein gegangen, er versuchte sich vorzustellen, welche Geschäfte ein Hamburger Kaufmann mit einem wie Mertens machte. Seit wann kannte Mertens dann Florence? Lacan fragte sich, was ihn das überhaupt anging, und schüttete unzufrieden den zu süßen Wein hinunter. Auf dem Weg zurück ins Gedränge geriet er an einen Kreis illustrer Gäste. Ein hochaufgeschossener jungenhafter Mann in einem Anzug von Armani führte blasiert das Wort:
    »Unglaublich ist es schon, was die Brüder heutzutage alles klauen. Die Frage ist, was fangen sie damit an?«
    »Mit dem Bild?« fragte eine elegante Frau. Lacan pirschte sich näher an die Gruppe.
    »Möglicherweise im Auftrag eines engagierten Sammlers.«
    »Engagiert, das haben Sie schön gesagt«, bemerkte der Mann im Armanianzug.
    »Oder«, mischte sich eine Besucherin mit riesigen Ohrringen ein, »oder ein Versicherungsbetrug!«
    Der zweite Gast, eine gedrungene Erscheinung, ergänzte: »Spezialisten! Der Lloyd zahlt, sagen wir, die Hälfte des Marktwerts, statt dem Besitzer die volle Summe zu ersetzen.«
    Die anderen nickten beifällig.
    »Es gibt schon auf beiden Seiten Experten für solche … Abwicklungen.«
    »Manchmal erfährt sogar die Polizei nichts«, sagte Armani. Man sah ihn verblüfft an. »Sehen Sie, bei einem Einbruch, bei dem so ein Schatz gestohlen wird, will der Besitzer doch nur das Bild wiederhaben. Natürlich mit Preisnachlaß. Und bei solchen, na ja, Transaktionen ist die Polizei überflüssig, hinderlich.«
    »Diskretion«, sagte die elegante Frau, »ist das A und O dabei.«
    »Davon kann man in diesem Fall ja nicht reden.«
    »Es soll ganz schön gescheppert haben«, und alle kicherten. Die gedrungene Erscheinung hob beschwörend einen Finger:
    »Letzte Woche hat ein früher Oelze in Zürich 150000 gebracht.«
    »Da vorne ist Maier-Brüninghaus«, rief die Frau mit den großen Ohrringen. »Fragen wir ihn, wie die Dinge stehen.«
    Der Kreis öffnete sich, und der Versicherungsvertreter trat genießerisch in den Mittelpunkt.
    Lacan schwindelte. Der Gedanke, der kleine Oelze könne ein Vermögen wert sein, war zu neu und erschreckend, obwohl er doch so nahelag. Das Bild verwandelte sich in seinen Gedanken in Geldbündel, und sein Kühlschrank hatte plötzlich ein massives Vorhängeschloß. Der Raum geriet in eine leichte Drehbewegung.
    »Hast du einen kalten Wodka?« fragte Lacan eine Kellnerin. Sie brachte ihm ein schmales, gut gefülltes Glas, in dem ein Viertel Limone schwamm. In einem Zug stürzte er den Schnaps in sich hinein. Er versuchte, noch etwas aufzuschnappen. Der Vertreter der Versicherung spreizte sich wie ein Pfau.
    »Versteht doch, ich kann nichts sagen.« Mit einem süffisanten Lächeln fügte er hinzu: »Ich habe euch schon viel zu viel verraten!«
    »Ihr zahlt also?« fragten die Ohrringe.
    »Ach, Kinder«, Brüninghaus warf einen Blick in die Galerie, und Lacan senkte den Kopf. »Wir wissen doch gar nicht, wer’s hat.«
    »Und Steenbergen?« fragte Armani. Maier-Brüninghaus gab sich konspirativ, und alle steckten die Köpfe zusammen. »Er will natürlich sein Bild wiederhaben, aber«, verstand Lacan noch, dann ging Maier-Brüninghaus’ gedämpfte Stimme im Vernissageradau unter.
    Lacan hatte genug gehört. Er stolperte durch die Gäste. Neben dem Getränkelager war ein abgedunkelter Raum, in dem er sich erholen wollte. Bevor er sich dorthin vorgekämpft hatte, trat Wilhelm Mertens in Begleitung eines älteren silbergrauen Mannes aus dem Halbdunkel. Der Mann war kleiner als Mertens und trug einen maßgeschneiderten Tuchanzug mit Weste. Als sie an Lacan vorbeigingen, sagte der Mann einen Satz auf Holländisch zu seinem anderen Begleiter, der einen Schritt hinter ihm blieb. Mit den ersten Silben erkannte Lacan die Stimme aus Florence’ Wohnung, die er kurz durch den Briefschlitz gehört hatte. Eine ältere Dame, deren Rouge das Gewicht ihres Schmucks hatte, schob ihn zur Seite und rief:
    »Steenbergen, alter Freund! Sie sind in Berlin, und ich weiß nichts davon. Schande über Sie!«
    Der Holländer faßte ihre ausgestreckten Finger und neigte sich zu einem Handkuß.
     
    Was hat der alte Sack bei Florence zu suchen? dachte Lacan, dann verlor der Film seinen Ton. Er sah nur noch aufsteigenden Zigarettenqualm, sich bewegende Münder, das zu helle Licht.
    Florence saß neben dem leergefegten Buffet, die Beine

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