Sünden der Faulheit, Die
übereinandergeschlagen, und rauchte. Als Lacan vor ihr stand, kamen die Geräusche brausend zurück. Sie blickte zu ihm auf. Die Perlen einer doppelt um den Hals gelegten Kette schimmerten wie kleine Lichter auf dem schwarzen Taftkleid.
»Was machst du jetzt?« fragte Lacan.
»Hast du morgen Zeit?«
»Zeit? Ich habe immer Zeit.«
»Wir gehen noch mit Lydia essen. Und einigen Käufern und Interessenten.«
»Weißt du, wie sich Käufer anhört?«
»Bernhard, bitte!«
Florence begleitete Lacan zur Türe.
»Hast du morgen abend Zeit?«
»Sicher.«
»Gut. Ich bestelle für acht einen Tisch bei ›Wohlmann‹.«
Lacan nickte erschöpft. Der Schwarze hielt die Türe auf.
»Bis morgen dann«, sagte sie und hauchte einen Kuß auf seine dicke Lippe. Lacan trat auf die Straße. Als er sich umdrehte, war Florence schon fort.
Die Angestellten des Party-Service sammelten die Gläser ein; unzählige Kippen lagen auf dem rot gefliesten Boden.
Wenningstedt hing am ganzen Leibe zitternd über einer Kloschüssel, seine Gesichtsfarbe changierte ins Grünliche. Niemand vermißte ihn. Gepreßt stöhnte der junge Wilde heilige Schwüre in die gurgelnde Spülung, den Preis des Ruhms.
Der strenge Wind hatte die Wolkenungetüme alle vom Himmel vertrieben. Es war eine kalte und klare Nacht, so, wie Januarnächte sein sollen. Über den Rieselfeldern im Norden der Stadt strahlte der Polarstern. Der Diskjockey im Radio hatte Echo Beach aufgelegt – »I know it’s out of fashion and a trifle uncool« –, und ein Saxophon ließ die Membran des Lautsprechers vor den Armaturenrost springen. Lacan fuhr über den Tauentzien nach Kreuzberg. Um zehn begann im »Tanzpalast« ein Konzert der »Lounge Lizards«, er brauchte dringend Ablenkung.
Kurz vor dem Nollendorfplatz tauchten die Gleise der U-Bahn aus dem Asphalt und stiegen an auf gußeisernen Stelzen. In ihrem Schatten parkten endlose Autokolonnen.
Florence war mit Mertens besser bekannt, als Lacan sich vorstellen wollte. Und Steenbergen, dieser Holländer, war der Eigentümer des Bildes in seinem Kühlschrank. Was hat Mertens damit zu tun? Ist er auch ein »Geschäftsfreund« von Steenbergen? Welche Geschäfte? Was verbindet Florence und Steenbergen und Mertens? Außerdem: Der kleine Oelze war ein Vermögen wert, und die Versicherung wartete geradezu darauf, erpreßt zu werden.
Was kann man sich für hunderttausend Mark kaufen? Diese Frage raubt einem wie Lacan den Verstand. Er kurbelte das Fenster herunter und ließ kalte Luft um seinen Kopf wirbeln.
Der »Tanzpalast« war ein ehemaliges Kino, das selbst für einen Aldimarkt schon zu verrottet war. Das Haus war reif für die Abrißbirne, aber die Spekulanten stritten noch. Spekulanten gleichen Ungeziefer, ab einem bestimmten Zustand der Bausubstanz lassen sie sich auch mit stärkstem Gift nicht mehr vertreiben. Ein »Hastema-ne-Maak«-Kanon erwartete Lacan, als er eine Eintrittskarte kaufte, das Wechselgeld reichte vielleicht noch für ein Bier.
Vom Kassenhäuschen führte ein enger, schwarz gestrichener Gang zu einer Stahltüre, hinter der der Konzertsaal lag. In der Nische zu den Toiletten stand Wasser. Die alten Bleirohre waren porös und verstopft, zum Glück wohnte hier niemand mehr.
Als Lacan die schwere Tür öffnete, schlug ihm der Lärm-Rauch-Schweiß-Überdruck des fensterlosen Raumes entgegen, dann war der Kessel wieder luftdicht verschlossen.
Die Vernissage war zu Ende. Wenningstedt, seit ein paar Stunden aller Sorgen enthoben, erlebte sein Fegefeuer. Florence kümmerte sich um ihn.
Steenbergen redete mit Mertens, der mit finsterer Miene zu Florence sah. Steenbergen legte beschwichtigend eine Hand auf seinen Unterarm. Franz Belasc kam mit den Mänteln. Die Adern auf Mertens’ Stirn waren geschwollen.
»Reiß dich zusammen«, sagte Steenbergen.
»Keine Bange«, zischte Mertens’.
»Deine Süße wartet«, sagte Belasc. Rita stand gelangweilt in einer Ecke. Er kniff Mertens ein Auge. Steenbergen setzte den Hut auf.
»Amüsier’ dich noch!«
»Amüsier’ dich!« echote Belasc, und Mertens ballte die Fäuste in den Taschen.
»Vertragt euch!« sagte Steenbergen. Der Schwarze kam hinzu.
»Ihr Taxi, bitte!«
»Ich verlaß mich auf dich, Wilhelm.«
Verlaß dich nur, dachte Mertens, irgendwann, das dauert nicht mehr lange, bist du fällig, und Steenbergen wußte genau, was er dachte.
Er nickte Florence zu, die Wenningstedt im Arm hielt, und verließ die Galerie, einen Schritt hinter ihm der
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