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Sünden der Faulheit, Die

Sünden der Faulheit, Die

Titel: Sünden der Faulheit, Die Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Peltzer
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Die Entdeckung gab dem Tag eine ganz neue Wendung. Der Schwindel ließ nach. Lacan ging rasch nach unten, und diesmal wählte er ohne Zögern den Vordereingang des Hauses. Blinzelnd sah er hoch zum wolkenlosen Januarhimmel, das sah nicht schlecht aus. Zuerst bekäme Siebert eine Anzahlung auf seinen Zettel.
     
    Der Gemüsehändler wischte mit rotem Kopf durch seinen Laden, um den Matsch, den seine Kundschaft hereintrug, wieder nach draußen zu befördern. Als er Lacan sah, hielt er ein und stützte sich schwer atmend auf den Schrubber.
    »Die Sonne jeht auf!«
    »Tja, Herr Siebert, ’ne Frage des Standpunkts.«
    Lacan streifte die Schuhe auf der Matte ab und trat ein.
    »Sie wollten doch nicht …« fragte Siebert und trocknete die Hände an seiner grünen Schürze.
    »Ich wollte, ob Sie’s glauben oder nicht.«
    Siebert war hinter die Theke gegangen, und Lacan legte einen Fünfziger auf die Glasplatte, unter der die Markenzeichen exotischer Waren klebten.
    »Erste Rate. Soviel kann’s ja nicht mehr sein.«
    Siebert kramte in einer unaufgeräumten Schublade, bis er Lacans Block gefunden hatte. Er setzte seine Brille auf und addierte murmelnd, und sein Zeigefinger fuhr die Rechnung rauf und runter.
    » 137 , 40 , um janz jenau zu sein!«
    »Den Rest zahl ich am Wochenende«, sagte Lacan, und Siebert entgegnete trocken:
    »Ihr Wort in Jottes Muschel.«
    Dann packte er den Schein in seine Registrierkasse und fragte:
    »Wat darf’s denn sein?«
    Lacan zählte Münzen auf das Glas und sagte:
    »Halbes Pfund Kaffee.«
    Siebert stieg ächzend auf eine Trittleiter. Er hatte die Pakkungen da oben in Form einer Pyramide gestapelt, der nun die Spitze fehlte.
    »Allet?«
    »Das reicht für’n Augenblick.«
    »Am Wochenende, ja?«
    »Sie können sich auf mich verlassen«, log Lacan und verließ den Laden.
    Nebenan stand Mahmut frierend auf der Schwelle. Er breitete die Arme aus und kam ihm entgegen.
    »Alles klar?« fragte er in seinem Akzent, der das R mit der Zunge vorne am Gaumen rollte.
    »Was denkst du denn, Alter«, antwortete Lacan, und Mahmut schob ihn in seinen Laden. Er kam gleich zur Sache.
    »Krieg’ noch Platten von dir, war abgemacht, ne?«
    »Bekommst du ja auch, aber sag erst mal, wieviel du von der letzten Lieferung verkauft hast.«
    »Geld hab ich schon gegeben«, wiegelte Mahmut ab, doch Lacan setzte nach.
    »Ich war ja seit ’n paar Tagen nicht mehr da, vielleicht haste noch was verkauft.«
    Wie alle Araber verteidigte sich Mahmut in einem weinerlichen Traust-du-mir-etwa-nicht?-Tonfall.
    »Kannst ja nachzählen. Ich mach nur ehrliche Geschäfte.«
    »Hat auch niemand was anderes behauptet!«, doch Mahmut wollte ihn zu seinem Plattensortiment ziehen und wiederholte:
    »Los komm, sieh an! Ich betrüg’ nicht.«
    »Mahmut, ich glaube dir ja. Laß gut sein. Und die versprochenen Platten kriegst du auch noch. Am Wochenende sehe ich die neuen Promoexemplare durch. Kannst dich auf mich verlassen, weißt du doch.«
    »Sicher, Bernhard, weiß ich.«
    Mahmut machte sich an einer Kommode zu schaffen, aus der er eine Flasche und zwei Gläser holte.
    »Magst du ein’ Raki?«
    Ohne Lacans Antwort abzuwarten, schenkte er ein. Sie stießen an, und Lacan dachte, der Schnaps würde ihm den Magen verbrennen. Das Wasser stieg ihm in die Augen, doch dann fühlte er sich glänzend.
    »Was macht deine Frau?«
    »Der geht’s gut. Bald kommt der Junge.«
    »Du weißt ja Bescheid.«
    »Ne, ne, spür ich.«
    »Und wie läuft der Laden?«
    »Ich bau um. Mehr Antiquitäten und so. Will weg von Trödel.«
    Träum’ du nur, dachte Lacan, als Mahmut ihm seine großen Pläne auseinanderlegte.
    »Mahmut, ich muß wieder.«
    »Denkste an die Platten, ja?«
    »Ich denke an die Platten«, sagte Lacan.
    »Wochenende, ja?«
    »Oder Montag.«
    »Alles klar.«
    Lacan knöpfte seine Jacke zu und wandte sich in Richtung Zeitungskiosk, Schulkinder rempelten ihn, als sie ihn im Laufschritt überholten. Lacan bückte sich, um seine Zigarette aufzuheben, da entdeckte er May und Umberto. Die beiden kamen rasch näher, May hatte Umberto untergehakt. Lacan erschrak über sein eingefallenes Gesicht und die Ränder um seine Augen. Umberto küßte ihn zur Begrüßung, die Bartstoppeln kratzten an Lacans Wangen.
    »How are you?« fragte er.
    May lächelte verlegen und hob die Schultern. Als sie Lacan die Hand gab, machte er eine unwillkürliche Bewegung nach vorne, um Umberto aufzufangen, als verliere der Italiener den Boden unter den Füßen, würde

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