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Sünden der Faulheit, Die

Sünden der Faulheit, Die

Titel: Sünden der Faulheit, Die Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Peltzer
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Bringen Sie bei Gelegenheit ein paar Auszüge vorbei, ich lese Ihren Stil mit Vergnügen«, sagte der Professor und meinte etwas ganz anderes.
    Du täuschst dich gewaltig, dachte Florence.
    »Die Sache in der Akademie tut mir leid für Sie.«
    »Wieso?«
    »Sie haben die Ausstellung doch betreut, und sicher trifft Sie der ganze Zorn des Sammlers, so, wie ich Kleinschmid, den Igel, kenne.«
    Florence wollte »Lassen Sie das getrost meine Sorge sein« sagen, doch:
    »Unterschätzen Sie da nicht Dr. Kleinschmid?« war die entschieden bessere Antwort.
    »Ich möchte dem verehrten Kollegen nicht … äh …«, wand sich Wagenknecht. Dann trank er glucksend die Flasche aus. Florence stand auf.
    »Sie gehen schon?« fragte Professor Wagenknecht enttäuscht.
     
    Sie saß noch einige Zeit fröstelnd in ihrem Auto auf dem schummrigen Parkdeck im Untergeschoß und rauchte. Ein aufgeschwemmtes Paar schob einen Einkaufswagen aus dem Lastenaufzug und geriet in Streit. Hinten auf dem Wagen hockte ein schreiendes Kind, dessen Hals schon so dick war wie der des Vaters. Als die Eltern sich entschlossen, den Rest des Tages streitend vor dem Aufzug zu verbringen, startete Florence den Lancia und fuhr los.
     
    Seit mehreren Minuten folgte ein Polizeifahrzeug Lacan. Er rutschte unruhig auf dem Sitz hin und her und versuchte, so unauffällig wie möglich zu fahren, Blinker links, Blinker rechts und nicht schneller als 60 , aber auch nicht viel langsamer. An seinem Haaransatz klebten die ersten Schweißtropfen. Die Polizei ließ sich nicht abschütteln. Als er in eine Seitenstraße bog, gab der VW -Bus hinter ihm Gas, und die Kelle mit dem roten Blinklicht in der Mitte fiel aus dem Beifahrerfenster.
    Lacan hielt am Bordstein, alles war verloren. Jeder mußte seine alte Fahne riechen, aber was spielte das noch für eine Rolle bei dem, was auf ihn zukam. Die Polizisten stiegen aus und näherten sich langsam. Der eine zurrte seine Mütze auf die Ohren und zückte einen Block. Wo waren die Handschellen? Lacan kurbelte lethargisch das Fenster herunter und lehnte sich aufs Blech. Sollte er sagen: O.k., ich geb’ auf, wie man es aus einschlägigen Filmen kennt? Bevor der Beamte den Mund aufmachte, dachte Lacan noch: Laß ihnen die Genugtuung, dich gefunden zu haben.
    »Tach Meister! Se wissen, warum wir Se anjehalten haben?«
    Lacan schüttelte in einem letzten Aufbäumen den Kopf.
    »So, wissen Se nich.« Er plusterte sich auf und schritt zur Amtshandlung.
    »Ihr rechtet Bremslicht funksjoniert nich. Det wußten Se wohl nich?«
    Ein dämliches ›Oh‹ war Lacans Antwort.
    »Is ja keen Beinbruch. Jeben Se uns mal Ihre Papiere.«
    Während ein Polizist über Funk die Daten kontrollierte, belehrte der andere Lacan:
    »Lassen Se’t reparieren und führen Se den Wagen innerhalb von zehn Tagen bei ’ner Dienststelle vor. Ick schreib Ihnen noch’n Zettel.«
    Er reichte einen Mängelbogen durchs Fenster und verabschiedete sich. Jetzt perlte der Schweiß in Rinnsalen über Lacans Gesicht. Eine Routinekontrolle. Sie hatten noch nicht einmal nach dem Warndreieck gefragt, niemand wußte etwas von seinem Geheimnis. Hinter ihm hupte ein Lieferwagen, und Bernhard fuhr weiter. Er wischte über seine Stirn und suchte den dritten Gang, sofern sein Opel überhaupt einen besaß.
    »Du mußt ein wenig mehr Vertrauen in die Menschen haben«, flüsterte er sich ein. »Es sind nicht alle so schlecht, wie du denkst.«
    Schneeflocken tanzten in der Luft, und Lacan wunderte sich, wo sie herkamen, so wolkenlos war der Himmel.
     
    Schon von weitem sah man das Hochhaus des Senders, auf dessen Dach drei große dunkle Buchstaben das Blau zerschnitten.
    Als Lacan ausstieg, hatte er immer noch ein leichtes Zittern in den Knien. Über dem Haupteingang hing an Stahlseilen ein Betonbaldachin, der von zwei Reihen flacher Neonröhren gerahmt war, die in der aufziehenden Dämmerung flackernd ansprangen. Der Pförtner saß in seiner Loge und las die › BZ ‹, als Lacan die Halle betrat.
    »Immer dreister werden se, die Ganoven«, sagte er zu seinem Kollegen, der an einem Tauchsieder hantierte und plump nickte. Lacan fuhr mit dem Aufzug ins Archiv, um in einem Katalog nach Platten für die Sendung zu suchen, die Leschek ihm aufgezwungen hatte. Beim Lesen von Namen wie Ruby & the Cadillacs befiel ihn ein großer Widerwille, und der Gedanke an Interviews mit Pomadenjünglingen und drallen Mittvierzigerinnen, die am Wochenende die Pettycoats auspackten, ließ seinen

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