Sünden der Leidenschaft
sie war zusammen mit Lucie im Lauf des Tages öfter in der Küche gewesen. »Und ich werde aufpassen, daß Caesar während des Essens unter dem Tisch bleibt.«
»Danke, Miß Flora«, lächelte die Haushälterin. »Es ist angenehm, eine richtige Dame im Hause zu haben. Nun, Lucie, du hörst auf Miss Flora. Und für Sie haben wir einen feinen Bordeaux aus Adams besonderem Weinkeller, Monsieur – das Abendessen ist ja informell, nun, nachdem Sie … auf Anordnung des Grafen …« murmelte sie und wechselte schnell das Thema. »Fangen Sie bitte an, solange das Essen noch warm ist.«
Wie eine Glucke führte sie die Gäste ins Eßzimmer.
Das Abendessen war natürlich sehr aufwendig und keineswegs informell, was seine Vielfalt und Eleganz betraf. Aber es wurde zwanglos serviert, und Lucie plauderte beim Essen mit dem Personal. Die Kleine war ganz offensichtlich der Liebling aller, obwohl man sie wie eine Erwachsene behandelte. Ohne gleichaltrige Spielkameraden muß das Personal diese Rolle wohl übernehmen, dachte Flora.
Während des Essens wurden viele Anekdoten über Adam erzählt, so daß Flora zum Schluß einige Einzelheiten mehr über diesen bemerkenswerten Mann wußte.
Er konnte kochen. Er konnte einen perfekten Lady-Baltimore-Kuchen (was offenbar ein amerikanisches Rezept war) backen. Seine Marmelade aus wilden Weintrauben wurde ebenfalls gern gegessen, und seine Bisquits waren sooo zart. Dafür müsse man viel Erfahrung und geschickte Hände haben, gaben alle zu. Flora war darüber keineswegs erstaunt, wenn sie an die Zartheit seiner Berührungen dachte.
Er konnte offenbar auch Klavier spielen, denn es gab einen Bösendorfer-Flügel im Salon mit unordentlich zusammengelegten Notenblättern darauf. Er hatte einen unerreichten Ruf als Pferdetrainer, weil er nach Art der Absarokees trainieren ließ, nach der Pferd und Reiter Freunde statt Feinde waren. Er spielte sehr gut Krocket, konnte eine Babypuppe anziehen und auf fünfzig Meter mit dem Gewehr das Auge einer Fliege treffen. Es dauerte nicht lange, und Flora erkannte, daß nicht nur Lucie beim Personal sehr beliebt war, sondern auch ihr Vater. Das war auch nicht weiter erstaunlich, denn er besaß etwas außergewöhnlich Anziehendes.
Nachdem Lucie ins Bett gebracht worden war, ruhten sich Flora und ihr Vater auf der Veranda aus. Sie schaukelten gemütlich in den mit weichen Kissen ausgepolsterten Korbstühlen und genossen Adams besten Cognac in der Abenddämmerung. Obwohl die Sonne bereits untergegangen war, gab es noch ein warmes goldenes Licht am Horizont, das die Landschaft im Osten erglühen ließ. Die bereits im Halbdunkel liegende Veranda war von einer fast greifbaren Stille umgeben, die so friedlich war wie die vergoldete Landschaft um sie herum.
»Bist du glücklich?« fragte der Graf liebevoll.
»Sehr«, antwortete Flora, die sich mit halbgeschlossenen Augen in ihrem Korbstuhl zurückgelehnt hatte.
»Ich mache mir Sorgen um dich.«
Flora öffnete die Augen und sah ihren Vater von der Seite an. »Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Papa, ich bin sehr zufrieden.«
»Du hättest in London bei deinen Freunden bleiben sollen, statt mit mir hierher in die Wildnis zu fahren.«
»Du bist mein bester Freund, und ich liebe die Wildnis. Erzähl mir nicht, wie sich eine Frau in meinem Alter benehmen sollte. Unsere Studien bedeuten mir weit mehr als die Gesellschaften irgendwelcher Leute. Weil du dich dein Leben lang mit Blumenbachs Theorie über die biologische Gleichheit aller Menschen beschäftigt hast, hatte ich die Gelegenheit, viele Kulturen und Menschen kennenzulemen und zu studieren. Das ist sehr aufregend gewesen, Papa. Es hat mein Wissen enorm vergrößert und war viel spannender, als mein Leben damit zu verbringen, mir einen Ehemann zu suchen, wie sich das für eine junge Dame der Gesellschaft gehört.«
»Vielleicht möchtest du aber eines Tages heiraten«, sagte George Bonham, »und dafür mußt du nun mal unter Menschen gehen.«
»Wie würde ein Mann, der zu Hause auf die Fuchsjagd geht, in unsere Reisepläne passen? Du weißt doch, daß sich ihr gesamtes Leben um die Jagdsaison, die Pferderennen in Cowes, Maifair und in Schottland im Herbst dreht …« sagte Flora. »Ich liebe dieses friedliche Leben«, fügte sie entschieden hinzu.
»Wenn deine Mutter noch leben würde, hätte sie dir die Notwendigkeit besser erklären können …«
»Die Notwendigkeit von was?« fuhr Flora fort. »Besitz, ein Leben als Ehefrau? Du selbst hast mir
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