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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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hätte er einen Tritt von der Vergangenheit erhalten. Die Stimme in seinem Kopf kreischte Leslie! Leslie! Leslie! wie eine steckengebliebene Grammophonnadel. Er schaute nicht hoch zu dem weiblichen Cop, der ihm gegenübersaß, spürte jedoch ihre anklagend brennenden Augen. Die Anschuldigung ergoß sich wie Säure über seine Haut.
    »Mr. Sewek? Hören Sie, was ich Sie frage?«
    »Ich war es nicht«, murmelte er.
    Alles verschwamm vor seinen Augen, als er seine Hände auf dem Tisch ansah. Er zupfte an den Stummeln seiner fingerlosen Handschuhe, bedacht, die Andenken an seinen Aufenthalt in Walla Walla zu verstecken. Er konnte sich noch an das
    erdrückende Gewicht des Rockers erinnern, der sich auf ihn gesetzt hatte, während ein Mann namens Needles die Buchstaben in seine Finger ritzte. In seinen Ohren klingelte immer noch ihr brutales Gelächter, als er sie anbettelte aufzuhören. Die Tätowierung war noch das Wenigste, was sie ihm in den fünf 374
    Jahren dort angetan hatten. Kein einziges Mal hatte man auf seine Bitte hin Gnade walten lassen, nur Sadismus.
    »… es besteht ein Haftbefehl gegen Sie wegen Verstoß gegen die Bewährungsauflage …«
    Sie konnten ihn zurückschicken. Der Gedanke schoß wie ein Pfeil in seine Eingeweide.
    »Wir wissen, was du mit diesem Jungen in Washington
    gemacht hast, Olie«, sagte Mitch Holt. Er lief hinter der Frau auf und ab, die Hände in die Hüften gestemmt. »Und jetzt wollen wir wissen, was du mit Josh Kirkwood gemacht hast.«
    »Nichts.«
    »Komm schon, Olie, verarsch uns nicht. Du hast die
    Vorstrafen, du hattest die Gelegenheit, du hattest den Van …«
    »Ich war es nicht!« brüllte Olie, hob den Kopf und starrte Mitch Holt verzweifelt an.
    Cops glaubten ihm nie. Sie schauten ihn immer an wie etwas, das sie von ihren Schuhen kratzen müßten. Ein Stück Hunde-scheiße. Ein häßlicher Käfer zum Zerquetschen, schleimig. Olie sah in Mitch Holts Gesicht dieselbe Kombination von
    Ungläubigkeit und Ekel, die er schon so oft erblickt hatte. Und obwohl er sie in seinem armseligen Leben immer und immer wieder erfahren hatte, spürte er doch, wie in seinem Inneren abermals ein Stück Mensch zerbrach. Nie hatte er jemandem weh tun wollen.
    Er biß die Zähne zusammen, und ein seltsames Winseln kroch in seinem Hals hoch, während er gegen den Drang zu weinen ankämpfte. Er schlug sich eine Hand auf den Kopf und wischte über seine borstigen Haare, das Muttermal und über sein Glasauge. Es fühlte sich an, als würde sein Körper in seiner schweren Winterkleidung gekocht. Seine Hose und die lange Unterwäsche klebten an ihm, da wo er sich vollgepinkelt hatte.
    Der Geruch von Urin brannte in seiner Nase.
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    »Hatten Sie einen Komplizen?«
    »Geht es Josh gut?«
    »Wenn Sie kooperieren, wird Ihnen das beim Strafmaß
    helfen.«
    »Ist er in Sicherheit?«
    »Haben Sie ihn belästigt?«
    »Ist er am Leben?«
    Die Fragen kamen wie ein erbarmungsloses Sperrfeuer. Und zwischen jeder kreischte die Stimme: Antworte mir, Leslie!
    Antworte mir! Antworte mir!
    »Aufhören!« schrie er und klatschte sich die Hände auf die Ohren.»Aufhören! Aufhören!«
    Mitch schlug mit der Faust auf den Tisch und beugte sich zu ihm. »Du findest das schlimm, Olie? Möchtest du, daß wir aufhören, dir Fragen zu stellen? Wie glaubst du, fühlen sich Joshs Eltern? Sie haben ihren kleinen Jungen eine Woche lang nicht gesehen. Sie wissen nicht, ob er lebt oder tot ist. Kannst du dir vorstellen, was die mitmachen? Meinst du nicht auch, daß die wollen, daß das aufhört?«
    Olie gab keine Antwort. Er starrte auf das Holzmuster des Resopaltischs, sein Kopf und seine Schultern zitterten. Mitch kämpfte gegen den Drang, ihn zu packen und durchzuschütteln, bis ihm die Augen rausfielen.
    »Mr. Sewek«, sagte Megan, und ihre Stimme war hart wie polierter Marmor, »sind Sie sich der Tatsache bewußt, daß während wir hier reden, ein Team von Verbrechens-sachverständigen eine genaue Durchsuchung Ihres Hauses und Ihres Fahrzeugs vornehmen?«
    »Du fährst wegen Entführung ein, Olie«, tobte Mitch. »Und wenn wir Josh nicht lebend finden – wenn wir Josh überhaupt nicht finden – fährst du wegen Mord ein. Du wirst nie wieder das Tageslicht sehen.«
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    »Sie können Ihre Lage nur verbessern, wenn Sie kooperieren, Mr. Sewek.«
    Olie legte den Kopf in die Hände. »Ich hab ihm nicht weh getan.«
    Es klopfte an der Tür, und Dave Larkin steckte seinen Kopf herein.
    Sein übliches Beachboylächeln fehlte.

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