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Sünden der Nacht

Sünden der Nacht

Titel: Sünden der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag
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wer oder was Paul war.
    Sie haben uns nicht gerade in Hochform erwischt.«
    »Bei meiner Arbeit seh ich selten jemanden in Hochform.«
    »Ich auch nicht«, gab Hannah leise zu und verzog den Mund ob dieser Ironie. »Ich bin es nicht gewohnt, auf der anderen Seite zu sein. Das Opfer. Das mag sich vielleicht töricht anhören, aber ich weiß nicht, wie ich mich verhalten soll, weiß nicht, was man von mir erwartet.«
    Megan leckte den Zuckerguß vom Finger, ließ aber Hannah nicht aus den Augen. »Nein, das ist nicht blöd. Ich weiß genau, was Sie meinen.«
    »Immer war ich diejenige, an die sich Leute wandten. Die 235
    Starke. Diejenige, die wußte, was zu tun ist. Jetzt weiß ich gar nichts mehr. Ich weiß nicht, wie ich es ertragen soll, daß Leute sich um mich kümmern. Und ich glaube, sie fühlen sich
    ebenfalls bescheuert. Sie kommen aus Pflichtgefühl und sitzen dann herum, beobachten mich aus den Augenwinkeln, so, als ob sie grade erst festgestellt hätten, daß ich auch nur ein Mensch bin – es gefällt ihnen nicht.«
    »Um die brauchen Sie sich nicht den Kopf zu zerbrechen«, sagte Megan. »Es spielt keine Rolle, was sie denken, oder was sie wollen. Konzentrieren Sie sich darauf, das hier irgendwie zu überstehen. Zwingen Sie sich zu essen, Sie brauchen alle Kraft, die Sie kriegen können. Zwingen Sie sich zu schlafen.
    Verschreiben Sie sich selbst etwas, falls nötig.«
    Hannah steckte pflichtschuldigst ein Stück des zerfledderten Gebäcks in ihren Mund und kaute, ohne etwas zu schmecken.
    Lily schaute verwirrt hoch zu ihr. Megan nahm noch ein Stück vom Blech, legte es auf einen anderen Teller und schob es über den Tisch. Ohne zu fragen. Wie eine Freundin, dachte Hannah.
    Was für ein seltsamer Zeitpunkt, eine Freundin zu finden.
    »Was ich brauche«, sagte sie, »ist Beschäftigung. Ich weiß, daß ich hierbleiben soll, aber es muß doch etwas geben, was ich tun kann.«
    Megan nickte. »Okay. Die Freiwilligen in der Einsatzzentrale adressieren Handzettel, die im ganzen Bezirk verteilt werden.
    Tausende. Ich schicke jemanden mit einem Stapel rüber, den Sie bearbeiten können. In der Zwischenzeit: Wie wär’s, wenn Sie über diese Spur nachdenken? Kennen Sie irgend jemanden mit einem Van, der auch nur im entferntesten dieser Beschreibung entspricht? Haben Sie irgendwo einen geparkt gesehen, der Ihnen seltsam vorkam? In der Nähe der Schule oder des
    Krankenhauses oder des Sees?«
    »Ich achte nicht auf Autos. Der einzige Van, der mit einfällt, ist der Schrotthaufen von Paul, als er seine Phase als großer 236
    weißer Jäger hatte.«
    »Wann war das?« fragte Megan; ihr Puls beschleunigte sich automatisch.
    Hannah zuckte mit den Schultern. »Vor vier oder fünf Jahren.
    Als wir gerade von den Twin Cities hergezogen waren. Er hatte einen alten weißen Van, mit dem er seine Jagdkumpel und die Hunde herumschipperte, aber der ist verkauft. Jagen war zu unordentlich für Paul.«
    »Wissen Sie, an wen er ihn verkauft hat? Jemanden, den Sie kennen?«
    »Ich weiß es nicht mehr. Es hat mich nicht interessiert.« Ihre Augen weiteten sich entsetzt, als ihr plötzlich klar wurde, was das bedeuten könnte.
    Mitchs Fragen am Mittwoch abend hatten in dieselbe Richtung gezielt. Und sie hatte die Möglichkeit verdrängt, daß jemand, der in ihrem Haus gewesen war, an ihrem Tisch parliert hatte, dem sie vertraut hatten, sich so brutal gegen sie wenden könnte.
    Doch noch während ihr Herz diesen Verdacht ablehnte, ließ ihr Verstand bereits die Namen und Gesichter aller, die sie kannte, Revue passieren, aller, die sie nicht besonders mochte, jeden, der am Rande ihres Bekanntenkreises zu finden war.
    »Wir können es nicht ausklammern«, sagte Megan. »Wir
    können momentan leider noch gar nichts außer acht lassen.«
    Hannah zog ihr Baby fester an sich, ohne Rücksicht auf die klebrigen Finger und ein Gesicht voller Zuckerguß und Zimt.
    Sie starrte ins Leere und wiegte Lily. Ihre Gedanken waren bei Josh – wo er sein könnte und was er vielleicht durchmachte.
    Grauenhaft genug, wenn er die Todesangst durch einen Fremden erfahren mußte, aber wie unsagbar entsetzlich durch jemanden, den er kannte und mochte, so leiden zu müssen. Es passierte ständig. Sie las es in der Zeitung, sah es im Fernsehen, war in einer Position gewesen, in der es darum ging, Schäden an anderer Leute Kinder zu heilen.
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    »Mein Gott«, flüsterte sie. »Was ist nur aus dieser Welt geworden?«
    »Wenn wir das wüßten«, spann Megan den

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