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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anya Lipska
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Pathologe zum Skalpell griff. Bacon mochte ein Dinosaurier im schlecht sitzenden Anzug sein, aber hin und wieder merkte man ihm auch an, dass er ein guter Polizist war.
    Das Einsatzboot überholte ein Touristenboot, dessen Passagiere sich die Hälse verrenkten, um den Polizisten am Steuer und die attraktive Frau in Zivil anzugaffen. Wenige Sekunden später stoppten sie an einem langen blauen Anlegesteg am nördlichen Ufer vor dem Polizeirevier von Wapping. Kershaw lächelte dem uniformierten Kollegen zu, achtete aber nicht auf seine ausgestreckte Hand und stieg ohne fremde Hilfe aus dem schwankenden Boot. Sie steuerte auf das Revier zu – ein viktorianisches Gebäude mit mehr Schnörkeln und Säulchen als die Hochzeitstorte eines Fußballstars –, drehte sich jedoch nach einigen Schritten um, da der Kollege ihr etwas nachrief. Grinsend wies er über den Steg auf ein lang gestrecktes Zelt aus blauer Plane, ließ unnötigerweise den Motor aufheulen und raste davon.
    Er war niedlich, dachte sie. Warum laden mich Typen wie er nie auf einen Drink ein?
    Sie schob die Zeltplane beiseite und trat gerade in dem Moment ein, als zwei Kollegen von der Wasserschutzpolizei den Inhalt eines schwarzen Leichensacks in eine flache Edelstahlwanne umluden, die etwa zweimal so groß war wie Kershaws Badewanne zu Hause. Der dunkle, nasse Kopf eines Mädchens rutschte, gefolgt von ihrem nackten Körper, aus dem Sack, wie in einer obszönen Parodie einer Geburt.
    »Scheiße«, stieß Kershaw überrascht hervor. Es war nicht ihre erste Leiche. In ihrer Probezeit war sie zu einem Wohnblock in Poplar gerufen worden, wo sich die Nachbarn über eine übel riechende Flüssigkeit beschwerten, die von der Decke tropfte. In der Wohnung darüber hatte sie die sterblichen Überreste eines alten Mannes vorgefunden, der schon seit zwei Wochen tot war, und zwar in einem Lehnsessel vor der Gasheizung. Er hatte ausgesehen wie eine große, halb geschmolzene Kerze.
    Aber sie musste zugeben, dass diese Tote ein Schock für sie war. Die Haut des Mädchens war violett und fleckig. Brüste und Bauch waren mit klaffenden Wunden übersät, und hier und da wies sie offene Stellen von der Größe einer Männerhand auf, als ob sie jemand mit einem Flammenwerfer angegriffen hätte. Das Gesicht war fast unversehrt – bis auf die Augen, von denen nur zwei leere schwarze Löcher übrig waren.
    Während der eine Kollege ging, erläuterte der andere den Stand der Dinge.
    Er war mittleren Alters und hatte offenbar schon alles im Leben gesehen. Er war abgebrüht, aber dennoch kühl und sachlich, was Kershaw als Erleichterung empfand. Sie hatte nicht damit gerechnet, dass es ihr peinlich sein würde, in Gegenwart eines Mannes, der ihr Vater hätte sein können, eine nackte Frau zu betrachten.
    »Ein Jogger hat bei Ebbe etwas aus dem Wasser ragen sehen«, teilte er ihr mit. »Sie kennen doch die u-förmige Kurve vor der Isle of Dogs?« Sie nickte. »Da werden häufig Wasserleichen angespült; sie bleiben dort hängen.«
    Kershaw holte Notizblock und Bleistift heraus. »Also muss sie nicht an dieser Stelle im Wasser gelandet sein?«
    Er schüttelte den Kopf. »Von fünfzig Metern bis fünfzehn Kilometern stromaufwärts ist alles möglich. Wir können nur sagen, dass es in dem Abschnitt gewesen sein muss, der den Gezeiten unterliegt. Wasserleichen können pro Tag anderthalb Kilometer oder mehr weitergeschwemmt werden.« So viele Informationen hätte er ihr gar nicht liefern müssen. Kershaw prägte sich alles ein; man wusste ja nie, ob es nicht noch einmal nützlich werden würde.
    »Was ist mit den Augen?«, fragte sie und wies mit dem Kopf auf die leeren Augenhöhlen. »Lassen Sie mich raten … Ratten? Vögel?«
    »Wahrscheinlich Aale«, erwiderte er. »Verfressene Mistviecher. Die Dinger, die die Leute am liebsten in Gelee essen. Ich persönlich bevorzuge ja Krabbencocktail …«
    Sie grinsten einander über dem augenlosen Kopf an.
    »Und die Verletzungen?«, erkundigte sich Kershaw. »Könnten die ihr vor dem Tod zugefügt worden sein?«
    Er beugte sich vor, um die tiefste Wunde zu untersuchen, durch die man den hellen Brustkorb des Mädchens schimmern sah, und verzog zweifelnd den Mund. »Schwer zu sagen. Boote und Schiffe können eine Menge Schaden anrichten, und sie war vermutlich über eine Woche im Wasser. Bei Kälte bleiben sie länger unten – die Gase im Bauch brauchen mehr Zeit, um sich zu bilden.«
    Kershaw näherte sich dem Kopf und musterte das Gesicht des

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