Sündenfall: Roman (German Edition)
reizendes Kompliment. Gefällt dir meine Show nicht?«
»Hübsche Figur. Pi ę kne «, erwiderte er. »Aber das wusste ich ja schon.« Er betrachtete sie amüsiert. Sie hielt seinem Blick stand und bemühte sich um eine strenge Miene, doch sie war machtlos dagegen, dass sich einer ihrer Mundwinkel hob: das schiefe Lächeln, das seine Tagträume erfüllte.
Sie senkte den dunkelblonden Kopf in Richtung Feuerzeug und hielt seine Hand einen Sekundenbruchteil länger als nötig fest, sodass er Schmetterlinge im Bauch bekam. Seltsam, aber er konnte die Frau, die da vor ihm stand, einfach nicht mit der in Einklang bringen, die er gerade noch an der Stange tanzen gesehen hatte. Die Frau von vorhin war klasse, keine Frage, aber sie ließ sein Inneres nicht Polka tanzen, wie Kasia es tat. Sein Kiefer verspannte sich, als er die gelblichen Spuren eines alten Blutergusses, den die Schminke nicht ganz überdecken konnte, an ihrem Wangenknochen bemerkte.
»Hör zu, Kasia, ich habe diesem chuj Steve heute Morgen einen Besuch abgestattet.«
Kasias Hand fuhr hoch zum Gesicht.
»Kurwa!« Das Schimpfwort war heraus, bevor sie es unterdrücken konnte. »Und?«
Er grinste sie an. Sie fluchte fast nie und hatte bestimmt schon beschlossen, diesen Fehltritt zu beichten.
»Ich habe ihm klargemacht, dass ein Mann keine Frauen schlägt, nicht einmal seine eigene.« Seine Ausdrucksweise war altmodisch, seine dunkle Stimme klang ruhig. Doch sein Blick war plötzlich kalt geworden.
Sie zog ihren Bademantel enger zusammen. »Und was hat er gesagt?«
»Ich hatte den Eindruck, einen geläuterten Menschen zu verlassen«, antwortete er. »Allerdings weiß er, dass ich unsere … Diskussion nötigenfalls gern fortsetzen werde.«
Anstelle einer Antwort berührte sie kurz mit kalten Händen sein Gesicht.
Janusz wich ein Stück zurück. Er konnte nicht sagen, warum, doch die Geste machte ihn zorniger als das Schwein, mit dem sie verheiratet war, und seine Gewalttätigkeit. Warum blieb eine Frau wie sie bei einem solchen Mann? Kasia kam aus gutem Hause und war hochintelligent – sie hatte sogar ihren Abschluss an derselben Filmhochschule gemacht, an der auch Polanski und Kieslowski studiert hatten! Aber er kannte ihre Antwort darauf bereits: »Die Liebe kann sterben, aber eine Ehe lebt ewig.« Erschwerend kam hinzu, dass dieser miese Job hier die einzige Einkommensquelle des Paares war. Eine halbe Million Polen verdiente in London ihren Lebensunterhalt, nur Steve, geboren und aufgewachsen in dieser Stadt, konnte einfach keine Arbeit finden. In England war es viel zu leicht, sich mit Sozialleistungen über Wasser zu halten, dachte Janusz, und das nicht zum ersten Mal.
Es war zwecklos, ihr vorzuschlagen, ihn zu verlassen. Wie alle polnischen Frauen hatte sie einen schrecklichen Dickkopf und würde ihm sagen, er solle sich zum Teufel scheren. Janusz zertrat seinen Zigarrenstummel, um zu überspielen, was in ihm vorging.
Als Kasia sich abwandte, um eine Rauchwolke die Straße entlangzupusten, ließ er den Blick einen Moment auf ihrem Profil und ihrer langen, wunderschönen Nase ruhen. Die war ihm zuerst an ihr aufgefallen, an dem Tag, als er Kartons mit Alkohol vom Transporter zu dieser Tür geschleppt hatte.
»Ich könnte morgen zu dir kommen«, meinte sie, noch immer abgewandt und in leicht verunsichertem Ton.
Sein Zorn verrauchte bei diesen Worten und wurde von komplizierteren Gefühlen abgelöst. Vielleicht war ihre gemeinsame Nacht vor zwei Wochen ja nicht nur eine einmalige Angelegenheit gewesen. Er steckte die Hände in die Taschen und schaute hinauf zur Dachkante.
»Klar, warum nicht? Und richte Ray aus, ich kriege nächste Woche eine Lieferung Wyborowa , falls er interessiert ist.«
Ach, zum Teufel! Wie seine Mutter immer zu sagen pflegte, hatte er die Angewohnheit, dem Ärger auf halbem Wege entgegenzulaufen.
Eine Stunde später marschierte Janusz, den Kopf wegen des beißenden Windes gesenkt, in nordöstlicher Richtung die Essex Road entlang. Er war unterwegs zu Pani Tosiks Restaurant, um der Sache mit der verschwundenen Kellnerin auf den Grund zu gehen, von der Pater Piotr ihm erzählt hatte. Da Janusz zu den Leuten gehörte, die in Londons Polonia über die besten Beziehungen verfügten, hatte er im Laufe der Jahre schon einige vermisste Personen aufgespürt. Sein nahezu perfektes Englisch war ihm dabei sehr nützlich gewesen, auch wenn seine Lehrer – die britischen Kriegsfilme seiner Kindheit und später die amerikanischen
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