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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anya Lipska
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des Schreibtisches schienen nicht zusammenzupassen. Er zog die Schublade so weit wie möglich heraus und leuchtete mit der Architektenlampe hinein. An der Rückseite der Schublade entdeckte er auf beiden Seiten zwei kleine Metallschienen, die offenbar keinem besonderen Zweck dienten – außer zu verhindern, dass sich die Schublade vollständig öffnen ließ. Er fingerte daran herum, um den Mechanismus zu ergründen, bis er nach einigen Sekunden mit einem dumpfen Ping zurückklappte, sodass er die ganze Schublade herausziehen konnte. Verborgen in einem Geheimfach lag ein grauer Aktenkarton.
    Darin entdeckte Janusz einen Stoß fotokopierter Dokumente, gelocht und von alten grünen Heftstreifen zusammengehalten. Unter dem Emblem der S ł u ż ba Bezpiecze ń stwa auf der ersten Seite prangte ein Stempel: » Ś ci ś le tajne« – streng geheim. Von Aufregung und einer bangen Vorahnung erfüllt, fing Janusz an, die Papiere durchzublättern.
    Plötzlich hob er den Kopf. Hatte sich oben quietschend eine Tür geöffnet? Janusz hielt den Atem an. Kurz darauf hörte er schwere Schritte und leise Stimmen. Die offenen Wohnzimmerfenster fielen ihm ein. Verdammter Mist! Vielleicht war ja auch nur der Makler mit weiteren Interessenten zurückgekehrt. Eines stand jedenfalls fest – er würde nicht lange genug warten, um es herauszufinden.
    Janusz warf einen letzten Blick auf den Schreibtisch von Genosse Struk. Er hätte zu gerne noch stundenlang darin herumgestöbert, doch er würde sich mit den Dokumenten begnügen müssen, die der alte Dreckskerl so sorgfältig versteckt hatte. Er faltete den Stapel in der Mitte, steckte ihn in die Manteltasche und stand vorsichtig auf.
    Mit ausgestreckter Hand tastete er sich weiter in den dunklen Keller hinein, hielt sich wie eine Krabbe an der feuchten Wand und betete, dass es noch einen zweiten Ausgang geben möge. Das wahnwitzige Bauernmädchen grinste von seinem Plakat bösartig auf ihn herab, als er an ihr vorbeischlich. Als er den schwachen Lichtkegel der Schreibtischlampe verließ, wurde er von Dunkelheit umfangen. Im nächsten Moment stieß sein Stiefel mit eine metallischen Scheppern an einen Gegenstand.
    Oben verstummten die Stimmen. Dann erhob sich eine von ihnen argwöhnisch und fragend. Janusz ’ Hand traf auf kaltes Metall – ein altes Bettgestell. Verzweifelt spähte er in die Finsternis und spürte, wie seine Pupillen sich weiteten, um so viel Licht wie möglich aufzunehmen. Er hörte, wie die Schritte oben das Wohnzimmer verließen und in die Vorhalle zurückkehrten. Wenn sie ihn hier unten erwischten … Während er sich um das Bettgestell herumschob, glaubte er, einen schmalen Lichtstreifen wahrzunehmen. Er schickte ein Stoßgebet zum Himmel.
    Heilige Maria, voll der Gnade, der Herr sei mit dir …
    Als er sich, die Augen weit aufgerissen, weiterpirschte, sah er es wieder – einen schmalen Ritz Tageslicht, genau vor ihm. Er konnte eine doppelflügelige Tür aus groben Holzbohlen ausmachen. Ein Brennholzlager? Das bedeutete, dass eine Falltür nach außen führte – falls Struk sie nicht zugenagelt hatte.
    Du bist gebenedeit unter den Frauen … Janusz erreichte die Tür, öffnete sie ganz langsam und spürte, wie sein Magen beim Anblick der Falltür über seinem Kopf einen Satz machte. Er richtete sich zu voller Größe auf, hielt den Atem an und drückte mit den Handflächen vorsichtig gegen den Deckel.
    Und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes, Jesus . Die Falltür öffnete sich so sacht und lautlos, als sei sie erst gestern zum letzten Mal benutzt worden. Das plötzlich hereinströmende Tageslicht blendete ihn.
    Er hörte gedämpfte Rufe und rasche Schritte, die sich dem hinteren Teil des Hauses und der Küche näherten. Jede Minute würden sie die offene Küchentür bemerken. Janusz umfasste den Rand der Falltür mit beiden Händen, stemmte die Stiefelspitze in das bröckelige Mauerwerk und begann, sich hochzuziehen.
    Heilige Maria, Mutter Gottes … Mörtel rieselte aus dem Loch. Janusz drückte die Knie durch und umklammerte die Ränder der Falltür mit festem Griff.
    Bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes …
    Ein gellendes Zirpen durchbrach das Schweigen – Janusz hätte beinahe einen Herzinfarkt bekommen. Sein Mobiltelefon. Nun hörte er die Rufe lauter als zuvor. Die Leute hatten die Kellertür hinter sich und das Licht unten bemerkt. Janusz warf alle Vorsicht über Bord, spannte jeden Muskel im Oberkörper an, stützte den Fuß

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