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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anya Lipska
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scheinbar um auf den Knopf für seine Etage zu drücken. Doch schon im nächsten Moment wurde klar, dass er stattdessen den Türöffnungsmechanismus betätigt hatte, denn es stieg noch jemand zu: ein Mädchen mit langem, dunklem Haar; Justyna Kozlowska. Eine schiere Ewigkeit stand sie allein da, während Kershaw auf den Bildschirm starrte und den Nagel an ihrem Zeigefinger abkaute. Endlich schlenderte der Mann mit dem Hut herein. Doch als er sich umdrehte und auf den Knopf drückte, stöhnte Kershaw laut auf – da die Kamera hoch oben angebracht war und der Mann sich unmittelbar neben der Tür befand, war auf der Aufnahme fast nichts als sein gottverdammter Hut zu sehen.
    Bis er für einen Sekundenbruchteil aufblickte, vermutlich, um nachzuschauen, in welchem Stockwerk sie inzwischen angelangt waren. Kershaw spulte zurück und drückte auf PAUSE . Erwischt!

VIERUNDZWANZIG
    N ach ihrem kleinen dramat im Wald stellte sich Janusz’ schrotflintenschwingender Retter als Krysztof Bielska vor.
    Pan Bielska, ein Bauer, der fruchtbares Land am anderen Ufer des Sees besaß, hatte gerade Kaninchen für den Kochtopf gejagt, als sich ihre Wege kreuzten. Er legte, was die Frage anging, warum Janusz eigentlich von Gangstern verfolgt wurde, erfrischend wenig Neugier an den Tag. Doch als sie sich voneinander verabschiedeten, konnte sich Janusz eine Frage nicht verkneifen. »Warum haben Sie mir getraut, Panie ?«
    Der Bauer legte die wettergegerbte Stirn in Falten. »Sie sprechen zwar Polnisch wie ein Ausländer«, erwiderte er schließlich. »Aber Sie haben ein altmodisches Gesicht.«
    Auf dem Rückweg durch den Wald fühlte sich Janusz für einen Mann, der dem Tod nur knapp von der Schippe gesprungen war, erstaunlich ruhig. Ohne zu wissen, warum, hatte er plötzlich sein Telefon in der Hand und wählte Martas Nummer. Das lang gezogene, träge polnische Freizeichen ertönte etwa sechsmal, bis er die Stimme seiner Frau hörte. Der Anrufbeantworter. Er hinterließ eine Nachricht, er sei aus geschäftlichen Gründen unerwartet in Polen und könne, wenn er morgen den Zug nach Warschau nähme, ein paar Stunden mit Bobek verbringen. Da er sich daran erinnerte, dass er bei ihrem letzten Telefonat aufgelegt hatte, bemühte er sich, ganz besonders freundlich zu klingen.
    Als die ersten Regentropfen leise auf die Blätter fielen, klappte Janusz seinen Kragen hoch und versuchte zu verstehen, was da gerade in Struks Haus geschehen war.
    Vielleicht war Adamski ihm ja von Danzig aus gefolgt. Möglicherweise hatte auch einer der Einheimischen ihn gewarnt, dass ein Fremder in Gorodnik herumschnüffelte. Jedenfalls schien dieser Adamski seine Drohung wirklich ernst zu meinen. Nur der Himmel wusste, wo Weronika steckte. Janusz hoffte von ganzem Herzen, dass sie in London und in Sicherheit war.
    Als Janusz den Stadtrand von Gorodnik erreichte, fiel ihm ein, dass der Haupteingang des Hotels Pomorski genau am Marktplatz lag. Falls Adamski und seine Helfershelfer herausgefunden hatten, wo er wohnte, gab es auf dem Platz unzählige Verstecke, von denen aus sie die Tür im Auge behalten konnten. Er blieb stehen und holte den Stadtplan heraus.
    Die alte Holztür in der hohen Mauer hinter dem Hotel wirkte, als sei sie schon seit hundert Jahren nicht mehr benutzt worden. Anfangs rührte sie sich nicht, doch als Janusz ein paarmal kräftig die Schulter dagegenrammte, gab sie einen Spalt frei, der breit genug war, um sich hindurchzuzwängen. Den Blick stets auf die massiv wirkende, doppelflügelige Hintertür des Hotels gerichtet, tastete er sich an einem alten Plastiktisch und Bergen kaputter Stühle vorbei. Als er näher kam, legte sich ein Schmunzeln auf sein Gesicht – die Tür war nur mit einem alten Yale-Schloss gesichert. Kurz darauf schlich er die Treppe hinauf zu seinem Zimmer, nachdem er den selbst gebastelten Dietrich, den er immer bei sich trug, wieder in seiner Brieftasche verstaut hatte.
    Janusz machte es sich auf dem Bett bequem und fing an, den Stapel SB -Dokumente durchzulesen, den er in Struks Geheimversteck gefunden hatte. Sie stammten alle aus den frühen Achtzigern, und da jedes die Überschrift »Aktenzeichen 377909/07« trug, war davon auszugehen, dass sie demselben Dossier der SB entnommen waren.
    Er brauchte eine Weile, um die Dokumente zu entziffern, denn sie waren in der bei Geheimdiensten so beliebten verklausulierten Sprache abgefasst. Die Gegner des kommunistischen Regimes, die Struk und seine Genossen heimlich bespitzelten,

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