Sündenfall: Roman (German Edition)
gegen die Wand und stemmte sich hoch. Mit knapper Not gelang es ihm, das Hinterteil auf den unheilverkündend knarzenden Rahmen der Falltür zu hieven.
Auf der Metalltreppe am anderen Ende des Kellers klapperten Schritte. Janusz schwang die Beine hinauf ins Gras und rappelte sich auf. Er stellte fest, dass er sich im Garten hinter dem Haus befand, und rannte auf eine Reihe von Bäumen zu, die offenbar die Grundstücksgrenze markierten. Dabei musste er einen großen Satz über ein niedriges Gebüsch machen, das ihm im Weg stand.
In seiner Tasche läutete noch immer das Mobiltelefon, aber er wagte nicht, stehen zu bleiben, um es abzuschalten, da es wichtiger war, so viel Abstand wie menschenmöglich zwischen sich und seine Verfolger zu bringen – oder wie es eben für einen alten Mann von fünfundvierzig Jahren mit einer angebrochenen Rippe möglich war , dachte er zornig. Jenseits der Grundstücksgrenze führte ein steiler Abhang in den Wald. Janusz wurde kaum langsamer, als er geradeaus durch die immer dichter stehenden Bäume und Büsche stürmte und dabei betete, dass er nicht stolperte.
Nach dem Geschrei hinter ihm zu urteilen, waren die Männer inzwischen im Freien und holten auf. Janusz sah sich um, doch die Bäume versperrten ihm die Sicht. Schlitternd und laut keuchend kam er am Fuße des Abhangs auf dem Laub vom Vorjahr zum Stehen.
Er fand sich in einem dicht bewaldeten Tal wieder. Ein reißender Bach versperrte ihm den Weg. Janusz blickte in beide Richtungen und überlegte, was wohl die beste Lösung war. Im nächsten Moment bemerkte er aus dem Augenwinkel, dass sich etwa fünfzehn Meter entfernt von ihm zwischen den Bäumen etwas bewegte. Ein Mann mittleren Alters, der altmodische Jagdkleidung trug, kam, eine überquellende Tasche mit Wild geschultert, aus dem Wald. Der Mann besaß die beiden Dinge, die Janusz in diesem Augenblick am meisten zu schätzen wusste: ein vertrauenswürdiges Gesicht und, in seiner Armbeuge ruhend, eine große, doppelläufige Schrotflinte.
Janusz rief, und als der Mann sich umdrehte, lief er ihm, sich die Seite haltend, entgegen. » Panie , ich werde von zwei Männern verfolgt«, japste er. »Ich glaube, es sind Gangster.« Er zeigte auf den Hügel. »Dort oben.« Das faltige Gesicht des Jägers wurde ernst. Wortlos öffnete er seine Waffe und steckte je eine dicke rote Patrone in die beiden Läufe.
Plötzlich erschien die Silhouette eines Mannes auf der Kuppe des Abhangs, etwa siebzig Meter entfernt. Ohne ein Wort legte Janusz’ Begleiter die Flinte an, spähte den Lauf entlang und drückte mit einem gewaltigen Knall ab. Als der Pulverdampf sich legte, erkannten sie, dass die Gestalt durch die Bäume davontorkelte. Selbst aus dieser Entfernung konnte Janusz einen Hut sehen.
»Ich glaube, dem Dreckskerl habe ich eine verpasst«, meinte der Jäger mit einem zufriedenen Schmunzeln und förderte zwei neue Patronen zutage.
Janusz grinste nervös. »Vielleicht besser nicht, Panie ?«, sagte er und legte dem Mann die Hand auf den Arm, als dieser nachladen wollte. »Sie wissen ja, was die Polizei heutzutage davon hält, wenn Bürger sich selbst verteidigen.«
Der Mann runzelte zwar die Stirn, verstaute die Patronen aber kopfschüttelnd wieder in ihrem Beutel. »Wahrscheinlich haben Sie recht«, brummelte er. »Denen ist nichts mehr heilig.«
Wieder suchte Janusz mit Blicken die Kuppe des Hügels ab, doch alles war ruhig. Wenige Sekunden später war von der Straße über ihnen ein Auto zu hören, das mit quietschenden Reifen die Flucht ergriff. Sein Atem ging fast wieder normal, als erneut sein Telefon läutete.
Er klappte es auf. »Czesc?« , seufzte er.
»Ich bin’s, Scheißkerl«, dröhnte eine Stimme. »Warum gehst du nicht ans Telefon?«
DREIUNDZWANZIG
E ines musste Kershaw Godfrey Dearbourne lassen: Sobald sie ihm erklärt hatte, dass Andrew Treneman von einem seiner eigenen Mitarbeiter als Videodieb angeschwärzt worden war, handelte er blitzschnell. Nur eine knappe Stunde nach ihrem Telefonat meldete der uniformierte Sergeant im Revier, Dearbourne stehe am Empfang und wolle zu Detective Constable Kershaw. Ihr fiel auf, dass er diesmal nicht forderte, mit ihrem DI zu sprechen.
Nun saß sie ihm mit verschränkten Armen im Vernehmungszimmer gegenüber. Dearbourne klappte seinen Aktenkoffer auf, entnahm ihm ein dickes Päckchen und legte es so vorsichtig zwischen sie beide auf den Tisch, als enthielte es eine sehr umfangreiche Stuhlprobe. Dann bleckte er ein makellos
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