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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anya Lipska
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und sich mit der Neuorganisation der Aktenablage der SB -Dienststelle 371 befassen. Leutnant Grazyc wird die Verantwortung für Leutnant Struks Kollaborateure und die weitere Übergabe der Lohntüten an TW Elster übernehmen.«
    Stirnrunzelnd lehnte sich Janusz zurück. Er war zwar kein Fachmann für die Hierarchie bei der SB , aber es war ziemlich offensichtlich, dass ein treuer Diener des Systems wie Genosse Struk die Versetzung von der Führung eines wichtigen Informanten zur Aktenablage im Innendienst sicher als gewaltigen Tritt in den Allerwertesten betrachtet hatte. Anscheinend war Elster für die Chefetage der SB wichtiger gewesen als einer ihrer ranghöchsten Offiziere.
    Janusz schloss die Akte und rieb sich die Augen. War er aus der Lektüre schlauer geworden? Er verstand noch immer nicht, wo die Verbindung zwischen Adamski und Struk liegen könnte.
    Während er unruhig an den Heftstreifen herumfingerte, die die Seiten zusammenhielten, fiel sein Blick auf etwas, das ihm bis jetzt entgangen war: ein winziges Stück Papier, das an der grünen Kordel klebte. Nein, kein Papier, wie ihm klar wurde, als er es unter die Nachttischlampe hielt – dünne Pappe. Hell und eierschalenfarben, so wie man sie damals für Krankenakten verwendet hatte. Also hatte die Akte noch ein Deckblatt gehabt, das offenbar abgerissen worden war. Plötzlich erschöpft nach dem dramatischen Tag, lehnte Janusz sich in die Kissen, um über diese Entdeckung nachzudenken. Doch schon wenige Sekunden später streckte der Schlaf die Tatzen nach ihm aus und rang ihn nieder wie ein riesiger Bär.
    Als er aufwachte, war es fast dunkel, und er hatte, nach den Leuchtzeigern seiner Armbanduhr zu urteilen, drei Stunden lang geschlafen. Ein heftiges Magenknurren erinnerte ihn daran, dass er heute bis auf das Teilchen zum Frühstück nichts gegessen hatte. Er sammelte die Dokumente ein und starrte noch einmal darauf, wie um ihnen ihr Geheimnis zu entlocken. In seinem Hinterkopf regte sich ein vager Gedanke – doch in seinem benommenen Zustand gelang es ihm nicht, einen Zusammenhang herzustellen. Das würde warten müssen, bis er sich ordentlich satt gegessen und ausgeschlafen hatte. Janusz sah sich im Zimmer nach einem Versteck um, beschloss dann aber, die Papiere mitzunehmen – es war der Wirtin durchaus zuzutrauen, dass sie während seiner Abwesenheit im Zimmer herumschnüffelte.
    Im Pod Kotka verbrannte er sich die Zunge, als er den vom Barmann in der Mikrowelle aufgewärmten bigos zusammen mit einem Berg Essiggurken und einem guten halben Laib hellen Roggenbrots als Beilage in sich hineinstopfte.
    Sobald der Teller abgeräumt war, beugte sich der Barmann über den Tresen. »Sie haben sich aufregende Zeiten für Ihren Besuch in der Stadt ausgesucht«, sagte er mit neugierig funkelnden Augen. »Es hat eine Schießerei gegeben.«
    Janusz nahm eine Zigarre aus der Dose und zog die Augenbraue hoch. »Wirklich? Ein Jagdunfall?«
    »Nein!«, erwiderte der Barmann. »Eine alte Frau oben in Kosyk war gerade dabei, am Straßenrand Reisig zu sammeln, als sie den Knall einer Schrotflinte gehört hat. Normalerweise ist das im Wald nichts Ungewöhnliches – nur dass kurz darauf ein Mann mit blutdurchtränktem Hemd aus dem Wald gerannt kam!«
    Kurwa! Also hatte der Schuss Adamski tatsächlich getroffen.
    »Ist das Ihr Ernst? Wo ist der Mann denn hin?«, fragte Janusz in gespielter Neugier.
    »Die Frau hat erzählt, er und ein anderer Mann seien in ein Auto gesprungen und weggefahren! Um die Mittagszeit war die Polizei bei mir und hat sich erkundigt, ob Fremde hier gewesen seien.«
    Das gefiel Janusz gar nicht.
    »Hat sie den Mann erkannt? Oder den Schützen gesehen?«, hakte er nach.
    Der Barmann schüttelte den Kopf. »Nein, ihre Augen sind nicht mehr die besten. Alle denken, dass es Gangster aus Danzig gewesen sein müssen, Sie wissen schon, ein geplatztes Drogengeschäft.«
    Nachdem Janusz eine gute halbe Stunde zugehört hatte, wie der Barmann die Geschichte aus allen möglichen Winkeln beleuchtete, bat er um die Lokalzeitung und setzte sich damit in eine Ecke. Er spielte schon mit dem Gedanken, ins Hotel zurückzukehren, doch das hätte Argwohn erwecken können, und außerdem hoffte er, dass Tadeusz erscheinen würde. Er fand es merkwürdig, dass Struk gutes Geld ausgegeben hatte, um antike Möbel zu inserieren, die er offenbar gar nicht besaß. Drei Stunden und drei kleine Biere später kam Janusz zu dem Schluss, dass der alte Mann heute eine Trinkpause

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