Sündenfall: Roman (German Edition)
an dem Ausflug auch etwas verdienen wollte.
»Also exportiere ich Olek und importiere Schnaps – zwei Fliegen mit einer Klappe«, verkündete Oskar. »Ich muss unseren Freund bei einem Bestattungsunternehmen in …« – er warf einen Blick auf die mit Filzstift auf seine Handfläche geschriebene Adresse – »… Elbl ą g abliefern, bevor sie morgen Abend zumachen. Aber bis nach Danzig sind es von dort aus nur zwanzig Kilometer. Also können wir den Tag in der Stadt verbringen. Du kannst mir die Schauplätze deiner Jugend zeigen, und dann trinken wir am Hafen ein paar Biere.«
Janusz brachte es nicht übers Herz, Oskar zu enttäuschen. Doch Danzig, eine Stadt, die voller schmerzlicher Erinnerungen für ihn steckte, war wirklich der letzte Ort, wo er den Fremdenführer spielen wollte. Er war seit Izas Tod nur einmal dort gewesen, und zwar zur Beerdigung seiner Mutter vor sechzehn oder siebzehn Jahren. Und selbst damals hatte er einen Bogen um das Zentrum von Danzig gemacht, indem er vom Flughafen zum Friedhof Lostowicki, der zum Glück außerhalb der Stadt lag, mit dem Taxi gefahren war.
»Wo, sagtest du, wolltest du hin, nachdem ich dich in Danzig abgesetzt habe?«, fragte Oskar mit einem Seitenblick.
»Ich habe gar nichts gesagt«, brummte Janusz. Oskars Fähigkeit, abstrakte Konzepte wie Vertraulichkeit zu erfassen, war bestenfalls lückenhaft, weshalb er beschlossen hatte, seinem Freund so wenig wie möglich über den Zweck seiner Reise zu verraten.
Die einzige schwache Spur, die ihn vielleicht zu Adamski führen würde, war das Lagerhaus in Gorodnik. Wenn er sich dort ein wenig umhörte, würde er möglicherweise auf jemanden stoßen, der den Mann kannte, oder sonst etwas Hilfreiches in Erfahrung bringen.
»Bist du sicher, dass ich nicht mitkommen soll?«, fragte Oskar zum wohl schon dritten Mal. »Ich könnte in den Kneipen diskrete Erkundigungen einziehen, während du Sherlock Holmes spielst.« Bei ihm hatte der Nachname zwei Silben. »Du hättest damals in dem Haus ziemlich viel Ärger kriegen können, wenn ich nicht da gewesen wäre, um dich rauszupauken.«
Janusz sah ihn nur zweifelnd an.
Doch Oskar stieß einen bewundernden Pfiff aus. » Kurwa ma ć . Das ist die übelste Beule, die ich je gesehen habe, und mir ist auf der Baustelle schon so einiges untergekommen. Also glaubst du, dass dir der Typ, hinter dem du her bist, eins übergebraten hat?«
»Nun, der Milchmann war es sicher nicht«, erwiderte Janusz, der schon bereute, dass er Oskar von seinem nächtlichen Besucher erzählt hatte.
»Du hattest Glück, kolego «, fuhr Oskar fort. »Wenigstens hat er dich nicht umgelegt, als du ihm gesagt hast, dass er sich ins Knie ficken soll.« Janusz runzelte die Stirn: Über diese Frage grübelte er selbst noch immer nach. »Weißt du, was das Beste an diesem Ausflug ist?«, sprach Oskar weiter. »Von Elbl ą g sind es nur drei Stunden nach Hause. Also kann ich ganze acht Stunden mit Gosia verbringen. Es gibt Gänsebraten mit Sauerkirschen, und« – er zwinkerte – »zum Nachtisch etwas ganz Besonderes.« Janusz freute sich für seinen Freund, war aber auch ein wenig neidisch, als er Oskars zufrieden-lüsternes Grinsen bemerkte.
Ihm fiel wieder ein, was Ray ihm über Kasias Pläne erzählt hatte. Also zündete er sich eine Zigarette an und fragte: »Was machen Frauen denn eigentlich in einem Nagelstudio?«
Oskar lachte brüllend auf. »Wo hast du die letzten zehn Jahre verbracht – in einer Höhle bei den Taliban? Ich habe sowieso nie verstanden, wie du es geschafft hast, dir eine so scharfe Freundin zu angeln, obwohl du einen Scheißdreck von Frauen verstehst.« Kopfschüttelnd steckte er sich zwei Streifen Kaugummi in den Mund.
»Okay, du Frauenheld«, meinte Janusz, »da du so eng im Kontakt mit deinen weiblichen Anteilen stehst, kannst du mich ja aufklären.«
»Das ist … ein Laden, wo Frauen hingehen, um Sachen mit ihren Nägeln machen zu lassen, was sonst?«, entgegnete Oskar.
»Was für Sachen?«
»Du weißt schon … feilen, in verschiedenen Farben lackieren. Solches Zeug eben.« Oskar wedelte mit der Hand.
»Und damit kann man Geld verdienen?«, wunderte sich Janusz.
»Klar«, erwiderte Oskar. »Weißt du, Janek, dem Mist, für den eine Frau das Geld ihres Mannes ausgeben kann, sind keine Grenzen gesetzt.« Er grinste in den Rückspiegel. »Richtig, Olek?«
Plötzlich erfüllte ein gellendes Geräusch das Wageninnere – ding di ding ding – eine schrille Stimme, die den Lärm
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