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Sündenfall: Roman (German Edition)

Sündenfall: Roman (German Edition)

Titel: Sündenfall: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anya Lipska
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kräuselte sich in Sorgenfalten. »Danach habe ich sie eine Weile nicht getroffen, und da niemand eine Ahnung hatte, wo sie steckte, habe ich sie als vermisst gemeldet.«
    Kershaw notierte sich die Daten.
    »Tut mir leid, Timothy, aber mein Sergeant hat den Anruf angenommen, weshalb ich nicht alle Einzelheiten kenne. Was genau hat Elzbieta denn studiert?«
    »Sie saß an ihrer Promotion zum Thema Beziehung zwischen Kirche und Staat im Europa des Mittelalters.«
    »Die katholische Kirche?«
    »Damals gab es eigentlich keine andere«, meinte er mit einem nachsichtigen Lächeln.
    Sie errötete wegen ihres Patzers. Spitze , nun stufte er sie vermutlich als ungebildete Bullette ein.
    »Wie würden Sie ihr Privatleben beschreiben?«
    Er zupfte an seiner Lippe. »Nun, sie trank keinen Alkohol und war ziemlich schüchtern. Hin und wieder kam sie mit, wenn wir in ein Restaurant gingen – Sie wissen schon, um das Semesterende zu feiern und so weiter. Nach den Vorlesungen haben wir manchmal zusammen einen Kaffee getrunken. Doch den Großteil der Zeit verbrachte sie in ihrem Zimmer und hat gelesen oder Tagebuch geführt.«
    »Hatte Elzbieta Ihres Wissens einen Freund?«
    Er starrte auf die Tischplatte und zuckte die Achseln. »Ich bin seit einem Jahr hier und habe sie nie über jemanden sprechen hören.«
    Kershaw merkte ihm an, dass ihm das Thema unangenehm war. Aber man musste berücksichtigen, dass er ja Theologie studierte.
    »Und sie hat nie jemanden namens Pawel oder Janusz Kiszka erwähnt?«, hakte Kershaw nach.
    Er schüttelte den Kopf.
    Verzweifelt trank sie einen Schluck kalten Tee und wünschte, es wäre Gin gewesen. Das hier war doch eine absolute Sackgasse . Elzbieta Wronska, Abstinenzlerin, Mauerblümchen und Studentin der mittelalterlichen Theologie, lebte doch auf einem ganz anderen Planeten als Ela, die mit Drogen vollgepumpte Wasserleiche, die den Namen ihres Lovers auf dem Hintern eintätowiert hatte. Allmählich hatte Kershaw den Verdacht, dass Bacon ihr eins hatte auswischen wollen.
    Mit einem unterdrückten Seufzer holte sie das mit Photoshop bearbeitete Bild von Ela aus der Tasche und schob es Timothy über den Tisch hinweg zu. Er saß eine Weile reglos da und musterte es eingehend, und als er wieder den Kopf hob und sie ansah, stellte sie erstaunt fest, dass seine Lippen zitterten.
    »Das ist doch das Foto von einer Toten , richtig?«, flüsterte er.
    Mist. Natürlich hatte die Vermisstenabteilung ihm nicht gesagt, dass sie es mit einer nicht identifizierten Wasserleiche zu tun hatten. So etwas überließen sie der Polizei, damit die es, persönlich und mit dem nötigen Taktgefühl, erledigte.
    »Äh, ja, Timothy, ich fürchte schon«, erwiderte sie. »Wir haben diese Frau vor einigen Tagen in Wapping im Fluss gefunden.«
    Zu ihrem Entsetzen stellte sie fest, dass ihm Tränen in die Augen traten. Er berührte das Foto.
    »Das ist Elzbieta.«
    Verdammte Scheiße . »Sind Sie absolut sicher?«, fragte Kershaw und versuchte, sich ihre Zweifel nicht anmerken zu lassen. Er nickte, wischte sich die Augen ab und holte zitternd Luft.
    »Sie sieht hier anders aus …«, antwortete er und wies auf das Bild. »Älter. Viel … ernster als im wirklichen Leben. Sie hat immer gelächelt, wissen Sie …«
    Er brach ab und hielt sich die Hand vor die Augen.
    Ach, herrje , dachte Kershaw.
    Verlegen tätschelte sie ihm den Arm. »Aber, aber«, sagte sie. Aber, aber?
    »Hören Sie, Timothy, es tut mir so leid. Das habe ich jetzt furchtbar verbockt«, fügte sie hinzu, wobei sie sich absichtlich salopp ausdrückte. »Mir hätte klar sein müssen, dass Sie nicht damit gerechnet haben, Ela – Elzbieta – so zu sehen. Es muss ein schrecklicher Schock sein.«
    Er nickte rasch und rang um Fassung.
    Kershaw starrte auf Elas Foto, während die Verlegenheit wegen ihres Patzers von Aufregung abgelöst wurde. Sie hatte DB 16, das Mädchen mit dem tizianroten Haar, identifiziert! Obwohl sie noch immer nicht die leiseste Ahnung hatte, wie Elzbieta Wronska mit gefälschtem Ecstasy im Blut in der Themse gelandet war. Doch vielleicht würde man nun, da man wusste, dass es sich nicht nur wieder um eine tote Prostituierte handelte, dem Fall eine höhere Priorität einräumen. Offiziell hätte das zwar keinen Unterschied bedeuten dürfen, doch Kershaws Ansicht nach sprach die erschreckend niedrige Aufklärungsrate von Morden an Sexarbeiterinnen Bände.
    Sie ging zum Automaten, um noch einen Tee für Timothy zu holen. Als sie zurückkam,

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