Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)

Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)

Titel: Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
Vom Netzwerk:
Leuteschinder.»
    «Entgeht mir hier irgendetwas?»
    «Ich stamme aus einer streng religiösen Familie.»
    «Ah.»
    «Ich wurde als Kind in konfessionelle Schulen geschickt und habe den ganzen Mist erlebt, den das mit sich bringt. Warum nicken Sie?»
    «Ihre Reaktion auf diese Kirche hier war … nicht die von jemandem, der zeitlebens Atheist war.»
    «Werden Sie bloß nicht …», Leonora hob einen Finger, «oberschlau.»
    Merrily lächelte.
    «Mein Vater hat zuerst in der Diözesanverwaltung gearbeitet. Meine Mutter war Sonntagsschullehrerin. Die gab es schon damals nicht mehr häufig. Wir wohnten in einem Dorf in Buckinghamshire, das war diesem Dorf hier gar nicht so unähnlich. Mein Vater wurde mit der Zeit unerträglich fromm. Ein richtiger Anglokatholik. Hat den Dorfpfarrer unter Druck gesetzt, damit er eine Marienstatue aufstellt. Und dann, recht spät, wurde er selbst ordiniert, und damit wurde es bei uns zu Hause
richtig
erstickend. Als Jugendliche bin ich in der Kirche herumgeschlichen und habe Obszönitäten gemurmelt, nur wegen des damit einhergehenden Schuldgefühls, dieser beinahe erotischen Blasphemie.»
    «Versuchen Sie mich zu schockieren?»
    «Ach, Unsinn.» In dem kalten Licht wirkte Leonoras Haut zart, beinahe durchsichtig. «Ich habe im Leben eine Menge Pfarrer kennengelernt. Die lassen sich nicht so leicht schockieren. Sie reagieren einfach nur hochmütig und missbilligend.»
    «Aber Ihre
Eltern
wollten Sie damals bestimmt schocken, oder?»
    «Sie können sich nicht vorstellen, wie viele ehrbare, gottesfürchtige Jungs es damals in konfessionellen Internaten gab, und ich wurde jedem einzelnen dieser Langweiler vorgestellt. Deshalb habe ich mich schließlich auch Elliot an den Hals geworfen. Er sah gut aus und war zehn Jahre älter als ich. Weltgewandt, verheiratet und Atheist. Was für ein
Skandal

    «Wann war das?»
    «Da war ich noch an der Uni. In London. Er war damals Reporter beim
Guardian
. Ich hatte schon immer eine Vorliebe für Presse und Medien, aber ich wollte nicht bei irgendeinem Provinzblatt anfangen, also habe ich mich in London in den Pubs rumgedrückt, in denen die Presseleute rumsaßen. Er war verheiratet, aber ich habe dafür gesorgt, dass er mir … schwer widerstehen konnte, verstehen Sie? Fragen Sie lieber nicht weiter nach.»
    «Und Sie haben sich ausgerechnet einen Korrespondenten für Religionsfragen ausgesucht?»
    «Na ja, damals war er das noch nicht. Das kam später, als der Typ für die Religionsthemen krank wurde und Elliot gefragt wurde, ob er die Vertretung machen will. Beim
Guardian
haben die Reporter ziemlich viel Freiheit, wenn es um die Gestaltung ihrer Artikel geht, und Elliot … na ja, er konnte gut schreiben, sehr unterhaltsam … und die Leser vom
Guardian
sind ja eher liberal, und wer liberal ist, neigt eher zum Atheismus.»
    «Nicht unbedingt.»
    «Na ja, aber ein größerer Prozentsatz schon. Das wissen Sie doch. Auf jeden Fall hat ihn kurz danach der
Independent
abgeworben.»
    «Und der
Independent
behandelt normalerweise keine Religionsthemen, jedenfalls nicht aus der üblichen Perspektive.»
    «Ja, wenn der
Independent
einen Korrespondenten für Religionsfragen wollte, musste es natürlich ein Atheist sein.»
    «Ich verstehe.»
    «Es dauerte trotzdem eine Weile, bis die Leute den Witz verstanden haben. Und auch danach … der
Independent
ist ja kein Massenblatt. Es war ziemlich lustig. Als meine Eltern mitbekamen, dass er Artikel über Religionsthemen schreibt, haben sie geglaubt, ich wäre endlich zur Vernunft gekommen.»
    «Und wann haben sie es mitbekommen?»
    «Kurz bevor man im Büro des Erzbischofs von Canterbury begriffen hat, worum es ihm wirklich geht. Da haben sie dichtgemacht. Die Kirche kann ziemlich schnell ziemlich undurchdringliche Mauern hochziehen. Darin hat sie schließlich jahrhundertelange Praxis. Aber bis allgemein bekannt war, aus welcher Ecke er kam, hatte Elliot sie in der Zeitung schon alle auseinandergenommen. Leider war mein Vater damals schon zu alt, um das zu registrieren. Ich habe ihm nie aufs Brot geschmiert, dass ich den Herrn des Unglaubens geheiratet habe … wir haben … seit einiger Zeit nicht miteinander gesprochen. Jedenfalls nicht nachdem das Buch veröffentlicht wurde.»
    «An dem Buch, schätze ich, ging kein Weg vorbei.»
    «Es war … rückblickend … der einzig gangbare Weg. Es war ja klar, dass ein radikal-atheistischer Korrespondent für Religionsthemen sowieso nur eine begrenzte Zeit bei der

Weitere Kostenlose Bücher