Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)
müssen es doch nicht so offensichtlich machen. Wonach suchen wir überhaupt?»
«Ich … habe keine Ahnung.» Coops fuhr sich über sein unrasiertes Kinn. «Irgendwas Unerwartetes. Wenn er zum Beispiel auf einmal anfangen würde, das Grabungsareal zu erweitern.»
«Was würde das bedeuten?»
«Das könnte bedeuten, dass hier mehr ist, als wir gedacht haben. Wie du weißt, denken wir an eine kurze Steinreihe, so ungefähr wie bei den Harold’s Stones in Trelleck. Unsere ersten geophysikalischen Untersuchungen haben auf drei Steine hingedeutet, vielleicht auch vier, die recht zufällig angeordnet zu sein scheinen und in keinem erkennbaren Muster nicht sehr tief unter der Erde liegen. Aber Blore hat seine eigenen Untersuchungen gemacht, und auch wenn ich die Ergebnisse nicht kenne, würde ich nicht ausschließen, dass er etwas Größeres gefunden hat.»
«Einen Steinkreis?»
«Für solche Spekulationen ist es noch zu früh.»
«Aber diese Ausgrabung», sagte Jane. «Du sagst doch selbst, dass sie möglicherweise der Beginn von etwas Riesigem ist. Denkst du an so etwas wie die Schlange? Könnte es etwas so Bedeutendes sein?»
«Bitte, Jane.» Coops wischte sich mit dem Ärmel ein paar Regentropfen von der Stirn. «Ich wünschte, ich hätte dir gar nicht erst davon erzählt.»
«Ich gehe ihm aus dem Weg. Ich passe gut auf.»
Eirion sagte: «Jane, ich glaube auch nicht, dass das …»
«
Wir
passen genau auf. Coops, hast du eine Nummer, unter der ich dich erreichen kann? Ich weiß, dass du nach Weihnachten wieder da bist, also hat Blore nicht besonders viel Zeit, um …»
«Nein», sagte Coops. «Du hast mich nicht richtig verstanden. Ich werde nach Weihnachten
nicht
hierher zurückkommen. Jedenfalls in keiner offiziellen Funktion. Man hat uns gesagt, wir sollen uns raushalten. Uns um andere Dinge kümmern. Diese Grabung Blore überlassen.»
Er wirkte total abgenervt.
«Und egal, was er findet», sagte Jane, «er heimst die Lorbeeren alleine ein.»
«Das … ja. Er bekommt die Anerkennung. Und das Geld. Du hast doch meine Handynummer. Ich passe auf, dass es immer aufgeladen ist. Lass dich aber bloß nicht zu irgendwas hinreißen, okay? Ich könnte total falschliegen. Ich will nicht als Idiot dastehen. Ich bin Profi und kein Hellseher.»
«Genau», sagte Jane. «Und ich werde, so wie es aussieht, nie zum Profi, aber keiner kann mir verbieten, das andere zu sein.»
Sie spürte, wie sich ein schiefes Lächeln auf ihr Gesicht stahl. Sie spürte Erleichterung in sich aufsteigen, ihre Seele rührte sich wieder … wie ein verwundeter Vogel in totem Herbstlaub.
39 Märtyrer
«Was soll ich sagen?», sagte Merrily. «Er wirkte sehr nett. Ich gebe zu, dass ich damit nicht gerechnet hatte.»
Der Regen schlug zischend an das Fenster der Kapelle. Leonora Stooke sah Merrily amüsiert an.
«Kann ein Atheist denn kein netter Mensch sein?»
«Sein Buch ist aggressiv, arrogant und höhnisch.»
«Und lustig?»
«Gelegentlich.»
«Er kann gut schreiben», sagte Leonora. «Und jemand, der gut schreibt, kann alles gut schreiben. Das wissen Sie doch, oder?»
«Ich glaube, das Wort, um das wir hier herumschleichen», sagte Merrily, «ist
Schreiberling
. Er hat es für Geld getan und weil er aus seiner traurigen Berühmtheit Kapital schlagen wollte. Den ganzen Dreck recyceln, den er bei seinen Recherchen gesammelt hatte, plus ein paar Anekdoten, die er in der Zeitung nicht schreiben konnte. Das alles hat er zusammengerührt, mit seiner ätzenden Häme zementiert und dann schnell als Buch veröffentlicht, bevor … sein Stern am Journalistenhimmel verglüht war.»
Das Guckloch in den Himmel.
«Fühlen Sie sich jetzt besser?», fragte Leonora.
Sie spielte abwesend mit Thomas Bulls Fingern. Der arme alte Fiesling musste sich krümmen vor Begierde.
«Ja, allerdings. Das tue ich.»
Merrily war wütend auf Stooke, wütend auf die Herr-des-Lichts-Webseite. Und vor allem war sie wütend auf sich selbst. Trotzdem …»
«Alle Bücher werden für Geld geschrieben», sagte Leonora. «Um seines haben sich die Verlage richtig gerissen. Allerdings war es trotzdem ein Wagnis. Er musste nämlich zuerst bei der Zeitung kündigen. Erst nachdem er nicht mehr dabei war, brauchte er auch nicht mehr auf inhaltliche Ausgewogenheit zu achten.»
«Ich verstehe.»
«Und ich kann Ihnen sagen, Merrily, inzwischen hat er es
dermaßen
satt. Er will kein Wort mehr über Religion schreiben, ganz egal, aus welcher Perspektive. Er will das
Weitere Kostenlose Bücher