Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)

Problem», sagte sie.
    Sie stand auf. Eirion hatte die Hände in die Jackentaschen gebohrt. Zornig rammte er den Absatz in den Boden.
    «Terpentin», sagte Jane, «damit müsste es weggehen.»
    «Da gibt es bestimmt was Besseres», sagte Eirion. «Ich gehe rüber in den Laden …»
    «Nein, du musst Lol helfen. Geh du in den
Swan
. Ich kümmere mich darum.»
    «Jane …»
    «Es ist okay. Es ist nur Farbe. Und sie ist geisteskrank.»
    «Du weißt, wer es war?»
    «Ich mache es weg.»
    «Du solltest die Polizei rufen.»
    «Und was sollen die machen? Einen Hubschrauber schicken? Ich will nicht, dass irgendwer das sieht. Ich will, dass es weg ist, wenn es morgen hell wird.»
    Sie ging zurück, das Gesicht dem Regen zugewandt. Eirion beeilte sich, um sie einzuholen.
    «Du kannst ruhig rumschreien, weißt du. Du musst hier nicht beweisen, dass du reif und erwachsen bist. Ich würde schreien, wenn das jemand mit dem Grab eines Freundes machen würde.»
    «Lucy würde bloß darüber lachen.» Jane ging weiter, ohne sich umzusehen. «Ich schreie nach Weihnachten. Dann tobe ich so richtig, und zwar bei der Poststelle. Aber jetzt gucken wir erst mal, ob Jim Abbeizer im Laden hat.»
    Ihre Hände fühlten sich klebrig an, sie musste in die Farbe gefasst haben. Angewidert blieb sie stehen und beugte sich hinunter, um die Hände in einer Pfütze vor der Kirchenvorhalle zu waschen. Das würde natürlich überhaupt nichts ausrichten gegen Lackfarbe oder was das war …
    Oh.
    Sie richtete sich auf, und im trüben Schein der schmiedeeisernen Laterne in der Kirchenvorhalle sah sie, dass die Flügeltüren der Kirche zugezogen worden waren.
    Und was jemand quer darübergeschmiert hatte.
    «Also,
jetzt
musst du doch mit der Polizei reden», sagte Eirion.
    Auch diese Schrift war weiß und immer noch feucht und blasig.
    ZU LEDWARDINE GEBOREN
    WURDE HEUTE NACHT
    DER ANTICHRIST
    «Und Mom müssen wir es auch erzählen», sagte Jane. «Das hat ihr gerade noch gefehlt.»
    Eirion ging die Stufen zur Kirchentür hoch. Durch den Spalt zwischen den Türflügeln fiel Licht.
    «In der Kirche brennt Licht. Bleibt das normalerweise an?»
    «Nein.»
    Eirion packte die beiden ringförmigen Griffe, drückte die Türen auf und ging in die Kirche.

55 Die dritte Möglichkeit
    Das Haus war vermutlich viktorianisch, sah aber älter aus. Bliss war kein Experte, was Architektur anging. Es war einfach ein großes weißes Herrenhaus mit hohen Fenstern, das in Wohnungen aufgeteilt worden war. Hinter dem Haus verrieten Tausende Lichter den Verlauf des Severn-Tals.
    Eine tolle Adresse. Sehr edel, unglaubliche Aussicht und nur ein kurzer Weg zur Arbeit.
    Da stand das Auto, ein dunkelgrüner Saab, im Vorhof. Bliss hatte befürchtet, dass niemand mehr in der Wohnung war, fünfundfünfzig Minuten nachdem er mit unterdrückter Nummer angerufen und aufgelegt hatte, als abgehoben wurde.
    Die Fahrt hatte lange gedauert. In Worcester waren die Überschwemmungen noch schlimmer als in Herefordshire. Es war etwa acht Uhr, inzwischen waren die Banks-Jones’ schon in die Goal Street gefahren, um ihre Aussage zu machen.
    Bliss stellte das Auto an der Straße ab. Er zögerte kurz, weil er fürchtete, womöglich in einen intimen Weihnachtsabend mit der Freundin hineinzuplatzen. Dann aber stieg er über die niedrige Mauer, die den Vorhof eingrenzte, und stand eine Weile unschlüssig vor der weiß lackierten Haustür. Die vier Klingelschilder leuchteten matt.
    Möglichkeit drei. War er dazu wirklich bereit? War das nicht genauso dumm und kurzsichtig wie seine Fahrt zu Charlie Howe?
    Noch während sein Finger über dem Klingelschild mit dem kurzen Namen schwebte, wurde die Tür geöffnet.
    Sie glitt genauso lautlos auf, wie man es in einer so exklusiven Wohnlage erwartete.
    Überwachungskamera. Hätte er sich denken können.
    Sie trug hellblaue Jeans, einen gestreiften Wollpullover, und ihre Haare waren frisch gewaschen. Sie lächelte nicht, aber es war ja auch noch nicht Weihnachten.
    «Ich habe keine Ahnung, warum ich überhaupt runtergekommen bin, Francis. Vermutlich leide ich unter krankhafter Neugier.»
    «Ich, ähm …» Bliss hustete. «Ich weiß nicht, wo die anderen Sternsinger abgeblieben sind, Annie, aber allein kling ich echt schrecklich. Wär’s o.k., wenn ich einfach rede?»

    In der Lounge Bar des
Black Swan
mit seinen Bleiglasfenstern und einem halben Eichenwald an Wänden und Decke herrschte immer noch das Mittelalter. Und das Licht war wunderbar schummrig.
    Lol