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Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)

Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)

Titel: Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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vierundzwanzig Stunden nicht gesehen, aber das ist nicht das erste Mal vorgekommen.»
    «Oh mein Gott, musste sie ihn identifizieren?»
    «Nein, das haben sie ihr erspart.» Sophie deutete mit einer Kopfbewegung auf eine Reihe dreistöckiger Backsteinhäuser weiter unten an der Straße. «Es ist das mittlere, mit der cremefarbenen Tür.»
    Sie ging weiter, doch Merrily blieb stehen.
    «Sophie … warum ich?»
    «Weil Sie …», Sophie kam zurück und hielt den Schirm über sie beide, «… weil Sie Witwe sind und … Pfarrerin. Und weil Sie mit diesen Leuten können.»
    «Leuten? Meinen Sie die Polizei?»
    «Und weil Sie hier sind. Helen hat keinerlei Familie.»
    Das klang nicht richtig. Inzwischen leicht nervös, ließ sich Merrily die schmale Straße hinunterführen. Sophie beschloss, dass sie nicht den Haupteingang nehmen sollten.
    «Sonst sehen sie uns.»
    «Wer?»
    «Haben Sie das Polizeiauto nicht bemerkt, das dahinten im Parkverbot steht?»
    «Die Polizei?»
    «Sie überwachen das Haus. Sie wollten eine Frau schicken, damit sie bei ihr bleibt … wie heißen die noch mal?»
    «Kontaktbeamte.»
    «Also, sogar
ich
weiß, was sie damit in Wirklichkeit bezwecken. Jemand, der immer in ihrer Nähe bleibt, sich um sie kümmert, Tee kocht und hofft, dass sie etwas verrät.»
    «Wie bitte?»
    «Hier.»
    Sophie blieb vor einer hohen Backsteinmauer stehen und drückte eine moosbewachsene Spitzbogentür auf.
    Dann waren sie in einem ummauerten Garten. Das Becken eines abgeschalteten Springbrunnens lief vor Regenwasser über, Tropfen hämmerten auf die Verglasung eines kleinen Wintergartens, der hinten an das Haus angebaut war.
    «Wir waren zusammen im Chor der Kathedrale», sagte Sophie.
    Als ob das etwas erklären würde.
    «Wie kommt es, dass sie keine Verwandten hat?»
    «Jedenfalls nicht in Hereford. Sie hat Clement in London kennengelernt, als sie Sekretärin beim Bezirksratsverband war, und er …»
    «Clement?»
    «Clement Ayling.»
    «Oh», sagte Merrily.

    Ein Salon mit hoher Decke. Von der Standuhr in einer dämmrigen Ecke kam tieftönendes Ticktack. Die hohen Fenster schimmerten vom Regen silbrig, eine kleine Leselampe auf einem Couchtisch verbreitete pastellgrünen Schein, und im Kamin glühten rot die Holzscheite. An der Wand hingen Bilder, die immer denselben Mann zeigten, wie er diversen Prominenten die Hand schüttelte: Prinzessin Anne, Margaret Thatcher.
    «Merrily …», Sophie hüstelte, «… hat ihren Mann vor einigen Jahren bei einem Autounfall verloren.»
    Helen Ayling sah verwirrt auf. Sie saß in einem braunen Leder-Ohrensessel. «Und ist er auch nach einem Streit aus dem Haus gestürmt?» Sie hielt auf ihrem Knie eine Teetasse aus weißem Chinaporzellan samt Untertasse. «Entschuldigung, ich …»
    «Es war bei uns nicht der erste Streit», sagte Merrily. «Manchmal ist er rausgerannt, manchmal ich. Aber es ist … wohl kaum das Gleiche.»
    Die Atmosphäre unterschied sich von der in anderen Häusern, die sie nach einem Todesfall aufsuchte. Hier herrschte Unsicherheit, der Schock war noch zu frisch. Merrily und Sophie saßen auf einem knatschenden Ledersofa. An der Wand hinter der Witwe hing ein Foto, das Clement Ayling mit Bill Clinton zeigte.
    «Es war reichlich dumm von mir», sagte Helen Ayling, «den Streit überhaupt zu erwähnen. Aber man denkt in so einer Situation nicht nach, oder? Man
kann nicht
nachdenken. Es ist, als ob alles um einen zusammenbricht.»
    Kein Make-up und keine Tränen. Sie war schlank und gepflegt, und ihr kurzes braunes Haar wirkte leicht durcheinander, aber auch frisch gewaschen. Merrily hatte gedacht, sie müsste ungefähr so alt sein wie Sophie, aber sie war jünger, vielleicht Ende vierzig. Also rund zwanzig Jahre jünger als Clement Ayling.
    «Die Polizisten haben mich gefragt, worum es bei dem Streit ging. Ich habe gesagt, das geht sie nichts an, das ist eine Privatangelegenheit – wir haben einfach gestritten, das kommt bei vielen Ehepaaren vor, und er ist gegangen und nicht …», ihre Stimme brach, und sie schluckte, «… mehr zurückgekommen.»
    Merrily betrachtete Clement Ayling auf dem Thatcher-Foto. Ein stämmiger, strahlender Mann mit vollem, welligem grauem Haar und einem gezwirbelten Schnurrbart. Sie war ihm nie begegnet, kannte nur seinen Ruf: ein Tory alter Schule, ein Dinosaurier, ein Atavismus.
    Merrilys Mund war trocken. Jemand hatte den ehemaligen Vorsitzenden des Bezirksrats ermordet und ihm den Kopf abgetrennt. Sophie hatte recht. Die Hölle

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