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Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)

Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition)

Titel: Sündenflut: Ein Merrily-Watkins-Mystery (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Phil Rickman
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Merrily.» Allerdings wirkte er nicht sehr überzeugt davon, dass Gebete etwas gegen multiresistente Krankenhauskeime ausrichten konnten.
    Das Wort «Gebet» wird in Zukunft nur noch eine Erinnerung an eine wunderliche und kindische Gewohnheit sein. So etwas wie die Nachttischlampe, die brennen musste, damit man einschlafen konnte. Etwas, aus dem man herausgewachsen ist.
    «Sei still, Stooke!»
    Merrily blieb auf der Straße stehen. Hatte sie das eben laut gesagt? Sie war wütend auf sich selbst. Es gab überhaupt keinen Grund …
    Doch. Stookes Frau hatte sich an Jane herangemacht und ihr zu viele Fragen gestellt. Das war sehr wohl ein Grund. Sie hatte Leonora Winterson sogar gegoogelt, aber kaum etwas gefunden. Schon gar kein Foto. Auch von ihm gab es keine neuere Aufnahme.
    Ich bin keine Berühmtheit, nur ein Journalist, der zweitausend Jahre Lügen, Fälschungen, Missbrauch, Korruption und Heuchelei nachrecherchiert hat.
    Sie bekam ihn einfach nicht aus dem Kopf. Als wäre er ihre Nemesis oder so. Merrily stapfte ärgerlich durch ein paar Pfützen auf dem Friedhof, um zu Lucy Devenishs bescheidenem Grab zu gehen.
    So weit war es also gekommen.
    «Ich weiß nicht, was
zum Teufel
ich hier mache, Lucy. Meine Aufgabe ist es, mich um die Lebenden zu kümmern.»
    Sie legte die Hände auf den nassen Grabstein und dachte an die unbezähmbare Miss Devenish mit ihrer Indianernase, ihrem Poncho und ihrem Missbehagen.
    Wissen Sie was, Lucy? Ich glaube, ich drehe langsam durch. Ich dachte, alles würde gut laufen. Die normalen Messen waren nicht gerade überfüllt, aber zur Sonntagabend-Meditation kamen Leute, die wirklich daran interessiert waren, sich mit ihrem Seelenleben auseinanderzusetzen. Ich fange endlich an zu begreifen, was Sie unter dem Gestirn verstehen.
    Gestirn war ein Wort, das Lucy von Traherne, dem Poeten aus dem siebzehnten Jahrhundert, entlehnt hatte, der sich an Herefordshire geradezu berauschen konnte. Lucy benutzte es, um die Atmosphäre von Ledwardine zu beschreiben, den Zusammenfluss von Traditionen, Sitten, Geschichte und Geist. Das Gestirn war ein Apfel, schimmernd und gesund.
    Wer vergiftet den Apfel, Lucy?
    Sie blinzelte die Tränen weg und wandte sich ab. Das war Janes Platz. Jane hatte es mit den Toten. Jane, die sich dem Tod so fern fühlte, dass sie beinahe liebevoll mit ihm umgehen konnte. Merrily ging den Weg entlang, den Jane als Beerdigungspfad bezeichnet hatte, und gelangte in den unteren Obstgarten.
    Im Winter hatte man hier immer ein Gefühl des Verlustes. Einst hatten das Dorf dichte Obstgärten mit Cider-Äpfeln umgeben, die, so hieß es, von Feen gepflegt wurden, deren Lichter man in der Dämmerung zwischen den Ästen der Bäume schimmern sah.
    Jetzt sah man allenfalls Grablichter schimmern. Die Bäume gingen langsam ein, stürzten um, und das Holz wurde im Deko-Kamin des
Black Swan
verbrannt.
    Seltsamerweise war Merrily jetzt ruhiger geworden. Sie sah auf. In den winterlichen Bäumen hingen als einzig erkennbare aktive Vegetationsform wie fremdartige Handwerksgebilde die kugeligen Misteln, und sie hingen immer außer Reichweite.
    Der Kuss unter dem Mistelzweig. Außer Reichweite. Merrily ging weiter, sie wusste jetzt genau, was sie tat, wohin sie ging.
    Wenn man den Obstgarten durchquert hatte, kamen die Felder. Eines davon war Coleman’s Meadow, das jetzt von einem behelfsmäßigen Stacheldrahtzaun umgeben war, daneben war mit Absperrband ein Parkplatz markiert. Das Feld selbst erinnerte an ein Jahrmarktsgelände. Man hatte ein dunkelgrünes Zelt aufgeschlagen, das aussah wie eine Feldkantine, zwei Wohnwagen standen da, zwei Land Rover und einer von diesen Kränen, mit denen Fernsehteams Aufnahmen aus etwas erhöhter Perspektive machten. Etwa ein Dutzend Leute in wetterfester Kleidung stand um einen Mini-Bagger, Lachen klang durch den Regen. Der Bauernhof, Cole Farm, zu dem eine enge Holperstraße führte, befand sich etwas zurückgesetzt auf einer Lichtung in dem Wäldchen, das sich bis zum Cole Hill hinaufzog. Cole Barn aber stand frei auf einem kleinen, abgegrenzten Feld, und eine riesige Pfütze vor dem Gebäude breitete sich bis zu dem asphaltierten Parkplatz aus.
    Das Gebäude wurde zwar Cole Barn genannt, war Gomer Parry zufolge aber nie eine richtige Scheune gewesen, sondern bloß ein Traktorschuppen. Deshalb gab es auch keine verglaste Front, wie man sie oft an umgebauten Scheunen sah. Stattdessen hatte Cole Barn eine ganz normale Eingangstür, und die war nicht mal

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