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Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)

Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)

Titel: Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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hatten? Aber war Constantin zu solcher Tücke fähig? Philip wollte es nicht glauben, doch immer wieder musste er daran denken, wie er den jungen Stallknecht bei den Goldhändlern beobachtet hatte. Sollte Constantin nicht bald von selbst wieder erscheinen, wollte er nach ihm suchen. Und sei es nur, um ihn zur Rede zu stellen.
    Das Mahl verlief in tiefem Schweigen. Auch von den Gästen, Haruns alten Freunden, ergriff keiner das Wort. Philip wurde die Brust eng. Das letzte Mal hatte eine solche Stille beim Tod seines Vaters im Haus geherrscht. Und er war in eine gefühllose Starre verfallen. In einen Zustand, in dem er mehr tot als lebendig gewesen war. Nichts hatte ihn mehr erreicht, keine Trauer, keine Freude. Nur noch Leere und Dunkelheit. Die Erinnerung daran erfüllte ihn mit Furcht, einer überwältigenden Furcht, die ihm schier die Luft zum Atmen nahm. Und so brach er das Schweigen.
    »Sag, Abu al-Uyûn«, sprach er seinen Tischnachbarn an, den Vater der Augen, »wie kommst du mit den Augengläsern für meinen Knappen voran?«
    »Sie machen Fortschritte«, erklärte der Alte erstaunlich munter. »Ich habe sie so geschliffen, dass er Entferntes scharf sieht, und kleine Löcher in die Ränder gebohrt. Meine Tochter näht sie derzeit in eine lederne Kappe. Morgen kann dein Knappe sie abholen.«
    »Das wird ihn gewiss freuen.«
    Said starrte schweigend auf die große Reisschüssel. Er hatte kaum etwas gegessen. Nicht nur Philip war das aufgefallen, auch Abu al-Uyûn hatte es bemerkt.
    »Alles ist vorherbestimmt«, sagte der alte Mann. »Wenn das Blatt vom Baum des Lebens fällt, der neben Allahs Thron steht, dann geht der Gläubige den Weg des Unvermeidbaren. Dein Vater war ein großartiger Mann. Nun weilt er im Paradies, wo Allah den Rechtgläubigen alle Freuden gewährt.«
    »Das mag sein«, antwortete Said. »Aber er fehlt mir hier, auf unserer Erde.«
    »Er fehlt uns allen«, bestätigte Philip.
    Wieder herrschte Schweigen. Es war so leise, dass die Geräusche der Straße bis zu ihnen hereindrangen. Pferdehufe, Lärm, ein bellender Hund. Und dann ein Schrei! Es war die Stimme des alten Gärtners Cyril.
    Sofort waren alle auf den Beinen.
    »Was geht da vor?«, rief Mikhail.
    Philip verließ eilends den Speisesaal, hastete durch die Diele und sprang die sieben Stufen des Eingangsportals in zwei Sätzen hinunter.
    Cyril hatte das Tor zum Gut geöffnet und kniete schluchzend vor der Türöffnung. Philip brauchte einen Moment, bis er erkannte, was den alten Gärtner so aus der Fassung gebracht hatte. Vor dem Tor lag ein nackter Körper, übersät mit grässlichen Wunden. Auch die Züge des Mannes waren fürchterlich entstellt. Man hatte ihm die Augenlider, die Nase und die Lippen abgeschnitten. Und dem Blut nach zu urteilen, das sein Gesicht bedeckte, hatte er bei der Misshandlung noch gelebt. Das war inzwischen allerdings nicht mehr der Fall, denn der Leib war von oben bis unten aufgeschnitten und ausgeweidet worden. Wie ein Schlachttier. Philip erkannte den Toten nur anhand seiner auffälligen Lockenmähne. Constantin! Deshalb war er also nicht zurückgekehrt. Philip kämpfte gegen die aufsteigende Übelkeit an. Cyrils Schrei hatte alle angelockt, auch die Frauen. Als Philip Lena und Sophia entdeckte, stellte er sich ihnen in den Weg.
    »Geht nicht weiter! Seht nicht hin!«
    Sophia wurde blass, sagte kein Wort, aber ihr Gesicht war Frage genug.
    »Constantin«, sagte Philip leise. »Er wurde bestialisch zu Tode gefoltert.«
    »O Gott!« Sophia brach in Tränen aus. »Hört das denn niemals auf?«
    Philip nahm seine Schwester in die Arme.
    »Es wird aufhören. Dafür sorge ich.«
    Noch während er Sophia an sich drückte, hielt er nach Thea Ausschau. Sie war nirgends zu entdecken.
    »Ist Thea noch nicht zurück?«, fragte er Lena. Die schüttelte den Kopf.
    »Seit wann ist sie fort?«
    »Kurz nach Sonnenaufgang verließ sie das Haus.«
    »Sonst kehrte sie immer rechtzeitig zum Abendessen zurück«, stellte Philip fest. Ein Verdacht beschlich ihn – konnte Thea mit den Tätern gemeinsame Sache gemacht haben?
    Sophia hörte auf zu weinen und hob den Kopf.
    »Philip, meinst du, sie schwebt in Gefahr?«, fragte sie mit kreidebleichem Gesicht.
    Die Verzweiflung seiner Schwester zerstreute Philips Zweifel. Thea hatte Sophia gerettet. Sie hatte einen der Täter getötet. Das hätte sie gewiss nicht getan, wenn sie mit ihnen unter einer Decke gesteckt hätte.
    »Ich glaube nicht«, antwortete er. »Sie kann gut auf sich

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