Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
begriff, warum sie nur zwei Pferde mitführen durften. Sieben Rosse hätten den gesamten Laderaum beansprucht. So aber hatte der Kapitän des Schiffes, Godfryd Dührsen, eine Ecke des Laderaumes mithilfe von Strohballen in einen halbwegs annehmbaren Stall verwandeln lassen. Saids Fuchs scheute, als er über den Landesteg geführt wurde, aber der Araber hatte sein Tier fest im Griff. Philips Rappe folgte ohne Widerstand.
Während die Pferde gut versorgt waren, sah es für die Reisenden erheblich anders aus. Zwar hatte Wolfram Säckerling Philip und Lena eine eigene Kajüte zugesagt, aber was sie vorfanden, war ein winziger fensterloser Verschlag am Ende des Schiffes, unmittelbar unter der Kapitänskajüte. Er war so eng, dass nur eine Bettstatt Platz darin fand und man bei geschlossener Tür kaum vor dem Bett stehen konnte. Fast beneidete Philip die Gefährten, die es sich im Laderaum bei den Tieren gemütlich machten. Thea hatte sich dort sogar ein eigenes Reich geschaffen, indem sie etwas abseits hinter einigen Fässern ihre Schlafstatt aufgeschlagen hatte.
»Was ist?«, fragte Lena ihn, nachdem sie ihre Unterkunft in Augenschein genommen hatten. »Gefällt es dir nicht? Wenigstens stört uns hier niemand.« Sie warf ihm einen verführerischen Blick zu und dachte vermutlich an die leidenschaftliche Nacht, die hinter ihnen lag.
»Wenn du es so siehst«, erwiderte er und lächelte leicht gequält.
»Wir wussten, dass wir uns mit wenig Platz begnügen müssen«, sagte sie. »Immerhin sind die Laken sauber, und der Strohsack riecht frisch. Wer weiß, mit welchen Spelunken wir auf einer Reise über die Alpen hätten vorliebnehmen müssen.«
»Du bist eine bemerkenswerte Frau, Lena.«
Sie lachte. »Ich weiß.«
Zunächst ging es vom Nikolaifleet aus auf die Elbe. Die Sonne schien vom strahlend blauen Himmel, und so nutzten alle die Gelegenheit, sich an Deck aufzuhalten und die vorbeiziehende Landschaft zu betrachten. Nachdem sie die Stadt hinter sich gelassen hatten, waren überwiegend Wiesen zu sehen, und nur am Horizont zeigte sich der eine oder andere dunkle Streif, der einen Wald andeutete. Sie sahen Kühe und Schafe, aber keine Häuser.
»Warum haben sich keine Menschen am Fluss angesiedelt?«, fragte Lena Kapitän Godfryd, der sich zu ihnen gesellt hatte.
»Die Elbe ist ein launischer Fluss«, antwortete er. »Die Gezeiten machen sich schon hier bemerkbar. Im Frühling und Sommer ist es trügerisch ruhig, aber im Herbst und Winter tritt der Fluss oft über die Ufer, und die Sturmfluten sind überaus gefürchtet. Ihr habt gewiss die Deiche in Hamburg gesehen.«
»Ihr meint die grasbewachsenen Erdwälle? Ich hielt sie für Verteidigungsanlagen.«
»Das sind sie auch. Sie verteidigen die Stadt gegen die Kraft des Wassers. Irgendwann werden wir dem Fluss wohl auch dieses Land abtrotzen, aber bis es so weit ist, wird es nur für Viehweiden genutzt. Kein Bauer, der halbwegs bei Verstand ist, würde in Sichtweite des Flusses, ohne den Schutz eines Deiches, sein Haus errichten.«
»Wird das Land nicht fruchtbar durch die Überschwemmungen?«, fragte Philip. »In Ägypten feiern die Menschen die Nilschwemme, denn der Nilschlamm verspricht fette Ernten.«
»Die Sturmfluten pressen das Nordseewasser in den Fluss. Das Salzwasser ist schädlich für die Ernten.«
»Dann sind wir der Nordsee schon nahe?« Philip spähte in Fahrtrichtung des Schiffes, doch der Fluss zog sich vor ihnen her, so weit sein Blick reichte.
»Das dauert noch ein Weilchen. Die Windsbraut ist nicht so schnell wie ihr stürmischer Bräutigam.« Der Kapitän lächelte gutmütig, und zum ersten Mal fragte Philip sich, wie alt der Mann wohl sein mochte. Dreißig? Oder gar schon fünfzig? Wind und Wetter hatten sein Gesicht gezeichnet, aber in seinen Augen blitzte noch immer der Schalk der Jugend. »Wir werden Hadeln in etwa einer Stunde erreichen.«
»Hadeln?«
»Das Land um die Elbmündung. Jetzt ist’s wieder friedlich, aber vor Jahren haben sich noch die Askanier mit den Herzögen von Lauenburg um die Gegend gestritten. War keine schöne Zeit, um Waren zu verschiffen. Jeder wollte seinen Anteil abbekommen.«
»Ja, ja, die Askanier«, hörte Philip Thea hinter seinem Rücken flöten. »Hoffentlich hat der hochmütige Herzog von den Lauenburgern ordentlich was auf die Finger gekriegt.«
»Ihr seid nicht gut auf die Askanier zu sprechen?« Der Kapitän musterte Thea. Er schien nicht recht zu wissen, was er von ihr zu halten hatte.
»Der
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