Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
nichts erschüttern, ich weiß.«
»Wie geht es deiner Frau?« Sie trat einen Schritt näher auf ihn zu. So nahe, dass er ihre Wärme spürte. Am liebsten wäre er einen Schritt zurückgewichen, aber die Blöße wollte er sich nicht geben.
»Die kann auch nichts erschüttern.«
»Das hatte ich befürchtet …« Thea seufzte. »Und dich?« Ihre Hand berührte wie absichtslos die seine, und er trat nun doch einen Schritt zurück.
»Mir macht die See nichts aus. Wer tagelang auf einem Dromedar gesessen hat, dem kann der Tanz der Wellen nichts mehr anhaben.«
»Was ist ein Dromedar?«
»Ein Reittier. Man nennt es auch Kamel. Die heiligen drei Könige ritten auf solchen Tieren. Wenn du dir die Zeit genommen hättest, die Kapelle von Sankt Michaelis zu besuchen, hättest du sie auf dem Altarbild betrachten können.«
»Ich habe in Sankt Michaelis nichts verloren«, zischte Thea.
Philip lächelte. Es freute ihn diebisch, Thea mit diesem Hinweis zum Verstummen gebracht zu haben. Er musste sie nur irgendwie an ihre Mutter erinnern, die ehrwürdige Äbtissin von Sankt Michaelis, und schon war sie still. Jedenfalls für kurze Zeit.
Von der hölzernen Leiter, die an Deck führte, hörten sie Schritte. Es war einer der Seeleute. »Wir legen in Kürze in Geestendorf an. Wenn Ihr wollt, könnt Ihr eine Weile an Land gehen. Wird etwas dauern, bis der Käpt’n alle Waren an Bord hat.«
»Hier will er noch Waren aufnehmen?« Philip war erstaunt. Vom Deck aus hatte er nur vereinzelte Fischerhütten und wenige Bauernhöfe gesehen.
»Geestendorf ist ein wichtiger Umschlagplatz für Bremer Handelsgut«, klärte der Mann ihn auf. »Die Geeste mündet hier. Aber groß ist der Ort nicht. Da gibt’s nicht mal ’n anständiges Wirtshaus für feine Leute. Nur so’n paar Hafenschenken.«
»Vielleicht könnten wir die Pferde etwas bewegen«, schlug Said vor. »Es täte ihnen gut.«
Philip nickte. »Kümmere dich mit Bertram darum! Ihm könnte ein wenig Abwechslung nicht schaden.«
Geestendorf war der erste von vielen langweiligen kleinen Orten, in denen das Schiff regelmäßig anlegte, um die Vorräte zu ergänzen oder Waren zu entladen oder aufzunehmen. So ganz durchschaute Philip nie, wie Wolfram Säckerlings Handelsunternehmen aufgebaut war, aber das war ihm auch gleich.
Damit die Zeit an Bord nicht zu langweilig wurde, unterrichtete Said nicht nur Lena und Bertram, sondern auch die beiden Waffenknechte und – nach einigem Zögern – auch Thea in der arabischen Sprache. Abends gab Philip unter Deck oft Geschichten aus der märchenhaften Welt des Orients zum Besten. Anfangs auf Deutsch, aber je weiter sich ihr Schiff dem Ziel näherte, versuchte er die eine oder andere Begebenheit auf Arabisch so zu erzählen, dass Saids Schüler ihm folgen konnten. Lena, die bereits während des ganzen letzten Jahres Arabisch gelernt hatte, hatte die geringsten Schwierigkeiten. Zu Philips Erstaunen erwies sich ausgerechnet Thea als gelehrigste Schülerin und stellte die drei Männer mit ihren Sprachkenntnissen in den Schatten. Philip zweifelte keinen Augenblick lang daran, dass die Räuberin ihren Wortschatz auf den Basaren Alexandrias schon bald vervollkommnen würde.
Nachdem sie die flandrische Küste hinter sich gelassen hatten, wurden die Landgänge seltener. Der einzige Hafen, der mehr Abwechslung bot, war Brest. Allerdings wurde Philips Hoffnung auf eine anständige Badestube enttäuscht. Das einzige Haus dieser Art hatte einen so schlechten Ruf, dass er es Lena auf keinen Fall zumuten wollte, aber immerhin gab es ein gutes Gasthaus, in dem sie angemessen speisten.
In Brest war bereits ein Hauch südlicher Lebensart zu spüren. Im Hafen lag sogar eine venezianische Galeere vor Anker, und Said wurde nicht mehr wie ein seltenes Tier angegafft, denn hier waren einige andere Männer ähnlich gekleidet wie er.
Thea verhielt sich in diesen Tagen so wohlgefällig, dass es Philip unheimlich wurde. Mit ihren Aufdringlichkeiten hatte er umzugehen gelernt, doch ein solches Wohlverhalten erinnerte ihn an die trügerische Ruhe vor dem Sturm.
5. Kapitel
H eute Nachmittag legen wir in Gigia 1 an«, verkündete Kapitän Godfryd eines Morgens. »Wir bleiben die ganze Nacht im Hafen. Es lohnt sich, denn die Stadt hat einiges zu bieten. Außerdem wird es der letzte Landgang für lange Zeit sein.«
»Warum?«, fragte Lena. Sie stand neben Philip an der Reling und schaute auf die See hinaus. Seit sie die Nordsee hinter sich gelassen
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