Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
angenehm.«
»Ich bewundere deine Gelassenheit.«
»Bleibt mir etwas anderes übrig?«
»Es stehen immer drei Bohlen nebeneinander. Eine Bohle in jeder Reihe ist fest. Wenn du auf den Weg trittst, ist zunächst die mittlere fest, dann die linke, dann die rechte. Dann wieder die mittlere. Auch wenn du das weißt, ist es immer noch schwierig, den Pfad zu überwinden, denn er misst mehr als zwanzig Pferdelängen, und es bedarf erheblichen körperlichen Geschickes.«
»Wie breit sind die Bohlen?«
»Breit genug für einen Fuß. Die Schwierigkeit liegt darin, dass sie mehr als zwei Mannshöhen über dem Boden schwanken.«
»Mitte, links, rechts«, wiederholte Philip. »Ich danke dir.«
»Du solltest Thea danken. Sie hat mir so lange in den Ohren gelegen, bis mir keine andere Wahl mehr blieb.«
»Thea ist eine großartige Frau«, bestätigte Philip. »Schätz dich glücklich, dass sie dir ihr Herz geschenkt hat!«
»Weil du es nicht wolltest.«
Philip schüttelte den Kopf. »Mir hat sie einst ihre Leidenschaft geschenkt, aber nicht ihr Herz. Das ist nur dir gelungen.«
Einen Augenblick lang glaubte Philip, ein zufriedenes Lächeln über Sethemhats Miene huschen zu sehen.
Das Bankett anlässlich der Vermählung des Herrn von Djeseru-Sutech mit Thea fand in der großen Eingangshalle statt. Der Raum war völlig verändert worden. Man hatte neben Bänken auch Tische aufgestellt und überall Liegen und Kissen verteilt. Eine seltsame Mischung aus orientalischem Prunk und längst vergessenen Sitten. Die Stimmen der Gäste hallten durch den Saal. Man lachte, neckte sich und kostete von den köstlichen Speisen, die in Hülle und Fülle aufgetragen wurden. Trotz der bevorstehenden lebensgefährlichen Probe fühlte Philip sich wohl. Es war, als seien die Träume seiner Jugend wahr geworden. Er hatte die verborgene Stadt entdeckt, Einlass in eine längst vergessene Welt voller Zauber gefunden. Lena schien es ähnlich zu ergehen, sie strahlte geradezu, während sie am anderen Ende des Saales mit Pachet sprach. Allerdings hatte er den Eindruck, ihr inneres Leuchten beruhe vor allem auf der Gewissheit ihrer lang ersehnten Schwangerschaft. Hoffentlich nahm die Hohepriesterin der Isis Lena nicht allzu lange in Beschlag. Er sehnte sich nach ihrer Gegenwart. Ein Blick nach links verriet ihm, dass selbst Bertram seine Steifheit abgelegt hatte und nicht mehr verlegen die Lider senkte, als ein leicht bekleidetes Mädchen ihm Wein nachschenkte.
»Gefällt sie dir?«, fragte Philip seinen Knappen. Ein leichtes Rot überzog dessen Gesicht.
»Eigentlich darf es nicht sein«, antwortete er leise. »Aber ich habe mich in den letzten Tagen immer häufiger gefragt, ob diese Menschen wirklich alle der Hölle verfallen sind, nur weil sie nicht unseren Glauben teilen.«
»Das sind sie nicht«, versicherte Philip. »Gott misst die Menschen an ihren Taten, nicht an ihrem Bekenntnis.«
»Die Kirchenväter lehren etwas anderes.«
»Es ist einfacher, einem äußeren Gesetz zu folgen, als nur dem Gewissen und der Moral verpflichtet zu sein. Viele Menschen brauchen die Furcht vor der Höllenstrafe, um auf dem rechten Pfad zu bleiben. Aber du gehörst nicht dazu, Bertram.«
»Wollt Ihr damit sagen, dass die Kirchenväter uns nicht die Wahrheit kundtun?«
Philip sah Bertram in die Augen. Es lag keine Empörung im Blick des Jungen, sondern eine aufrichtige Frage.
»Es gibt viele Arten, Wahrheiten zu verkünden«, entgegnete er. »Ich glaube, die einzige Wahrheit liegt bei Gott, und er hat jedem von uns die Fähigkeit mitgegeben, die Wahrheit zu erkennen. Doch viele Menschen verschließen sich dieser Gabe und brauchen deshalb den Rat anderer. Aber diese anderen verbreiten nicht Gottes Wahrheit, sondern nur ihre eigene Auffassung von Wahrheit. Kannst du mir folgen?«
Bertram nickte.
»Ich glaube weiter, dass Gott viel größer ist, als es ein Mensch jemals zu erfassen vermag. Und weil er so groß ist, hat er viele Gesichter und viele Fürsprecher. Die einen nennen sie Engel, die anderen geben ihnen die Namen eigener Götter. Noch andere bitten die Heiligen um Fürsprache. Am Ende, Bertram, zählen nur die Taten.«
»Ihr meint, die Götter, an die die Menschen dieser Stadt glauben, stehen selbst im Dienst des Allmächtigen? So wie die Engel?«
»Menschen geben den Dingen viele Namen, Bertram. Jede Sprache hat ihre eigenen Worte. Warum sollte es mit der göttlichen Wahrheit nicht ebenso sein?«
Der Junge schluckte. »Aber was ist mit den
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