Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
unumstößlichen Gesetzen? Ich habe gesehen, wie die Mädchen und Frauen sich hier gebärden.«
»Du meinst die unverheirateten Frauen und Mädchen, nicht wahr?«
Bertram nickte. »Sie messen ihrer Keuschheit anscheinend keine besondere Bedeutung bei.«
»Dafür, dass du so auf Sittenstrenge bedacht bist, hast du sie aber sehr genau beobachtet.« Philip grinste. Bertram errötete abermals.
»Ehebruch wird nirgendwo gern gesehen«, fuhr Philip fort. »Aber wenn sich zwei Menschen zugetan sind, die beide noch frei sind – was ist daran verwerflich?«
»Das Mädchen wäre entehrt.«
»Warum?«
»Aber Herr Philip!« Bertram starrte seinen Herrn an, als wäre die Welt am Einstürzen. »Es ist doch klar … dass … dass …«
»Weißt du, Bertram, eigentlich geht es doch gar nicht um die Ehre des Mädchens, sondern um die Ehre des Mannes.«
»Das verstehe ich nicht.«
»Wirklich nicht?«
Bertram schüttelte den Kopf.
»Nun, dann erzähle ich dir, was mir einst eine kluge Frau beibrachte, als ich ungefähr in deinem Alter war. Sie sagte, die Ehre der Frau sei eine Erfindung von uns Männern, denn wir Männer hätten nur zwei Möglichkeiten, uns unserer Vaterschaft sicher zu sein. Entweder halten wir alle Nebenbuhler von unseren Frauen fern, oder aber wir verstehen es, das Herz unserer Gattinnen zu gewinnen, auf dass wir als Einzige einen Platz darin einnehmen. Mauern können von Nebenbuhlern überwunden werden, Herzen nicht. Aber es ist viel schwieriger, ein Herz zu erobern, als eine Mauer zu errichten. Und eine Frau, die die Liebe kennt, stellt höhere Ansprüche als eine unerfahrene Jungfrau.«
Bertram starrte Philip fassungslos an.
»Ich fand diese Erklärung damals durchaus nachvollziehbar«, fuhr Philip fort.
»Aber wenn wir uns auch von den unverheirateten Frauen fernhalten, bringen wir sie nicht in Schwierigkeiten«, bemerkte Bertram. »Schließlich denken nicht alle Männer so wie Ihr, Herr Philip.«
»Das ist richtig. Aber manchmal brächten wir sie auch um ihr Vergnügen.« Philip beobachtete die hübsche kleine Dienerin, die Bertram auffällig häufig Wein nachschenkte.
»Du gefällst ihr«, raunte er seinem Knappen zu. »Und ich glaube nicht, dass du sie in Schwierigkeiten brächtest.«
Bertram räusperte sich. »Aber … aber wenn sie noch unberührt ist?«
»Das halte ich für unwahrscheinlich, so wie sie dich gerade ansah.«
»Aber …« Bertram räusperte sich erneut.
»Ich glaube auch nicht, dass du dafür in die Hölle kämst«, fügte Philip leise hinzu.
»Ihr meint …«
»Ich meine, es wird Zeit, dass du endlich erwachsen wirst. Und der Umgang mit Frauen gehört dazu.«
Bertram starrte verlegen in seinen Weinbecher. Als die hübsche Dienerin zum dritten Mal neben ihn trat und durch eindeutige Blicke und Gesten zu verstehen gab, wie sehr er ihr gefiel, stand er auf und folgte ihr.
»Ich hoffe, Bertram geht nicht, weil ich komme.« Lena ließ sich neben Philip nieder, nachdem sie eine Weile mit Pachet gesprochen hatte.
»Keine Sorge.« Er legte den Arm um seine Frau. »Bertram wird gerade erwachsen – endlich.«
»So?« Sie musterte ihn zweifelnd. »Es scheint mir eher, als hättest du ihm unzüchtige Gedanken schöngeredet.«
Philip lachte.
»Nun ja«, sagte Lena und lehnte sich an ihn, »ich habe auch schon versucht, ihm klarzumachen, dass manches nicht so schlimm ist, wie er glaubt.«
»Du?«
»Du hast eben einen schlechten Einfluss auf mich.« Sie blitzte ihn mutwillig an.
»So soll es sein.« Er hauchte ihr einen Kuss auf die Wange, doch dann wurden sie wieder ernst, denn soeben erhob sich der Hohepriester des Seth von seinem Platz inmitten der Priesterschaft.
»Dies ist der Tag, an dem unser erhabener Sethemhat, die lebende Verkörperung des Gottes Seth, seine neue Gefährtin erwählt hat«, sagte er in der alten Sprache Djeseru-Sutechs. Während der vergangenen Wochen hatte Philip sich so sehr an den Klang dieser Sprache gewöhnt, die dem Koptischen ähnelte, dass er Lena den Wortlaut mühelos übersetzen konnte.
»Preisen wir die neue Herrin von Djeseru-Sutech, die große königliche Gemahlin an der Seite unseres Herrschers!«
Alle erhoben sich. Philip betrachtete die Braut. Thea trug die Kleidung einer ägyptischen Königin, ein langes weißes Kleid ohne Ärmel, das mit aufwendiger Goldstickerei verziert war. Darüber einen Kragen aus Karneol, Gold und Lapislazuli. Ihr langes rotes Haar wurde von einem goldenen Reif gebändigt, an dem der Kopf einer
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