Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
gelesen.«
Pachet warf den Kopf herum und starrte Lena an. »Du hast Tenems Ka gesehen?«
Lena war noch immer schwindelig. Vergeblich hoffte sie, aus einem bösen Traum zu erwachen.
»Ich blickte ihm in die Augen, als er die Stimme des Gottes hörte«, flüsterte sie. »Seine Flamme war grün wie die eines Wahnsinnigen.«
»Grün«, hauchte Pachet. »So wie an den Tagen, als Iras und Meharit starben.«
Sethemhat horchte auf. »Was willst du damit sagen, Pachet?«
Doch er erhielt keine Antwort, denn die Hohepriesterin brach in Tränen aus. Auf einmal erkannte Lena die Zusammenhänge und begriff, warum Pachets Seelenflamme nur noch ein schwaches Glimmen war. Die Priesterin wusste um Tenems Gefährlichkeit, wusste, dass er für den Tod ihrer Schwägerinnen verantwortlich war. Sie hatte alles durchschaut, aber geschwiegen. Warum? Aus Angst? Oder wieder wegen dieser unheimlichen Maat, dieses verfluchten Gleichgewichtes, das Sethemhat daran hinderte, Tenem zu verjagen?
Thea hatte inzwischen ihre Ruhe wiedergefunden. »Sethemhat, du lässt Philip warnen. Um Tenem kümmere ich mich höchstpersönlich.«
»Du darfst die Maat nicht zerstören!«, rief er.
»Das habe ich auch nicht vor«, lautete ihre Antwort. »Im Gegenteil, ich stelle sie wieder her.«
Mit diesen Worten verließ sie den Raum. Pachet lag noch immer schluchzend am Boden.
»Du hast es also gewusst«, sagte Lena. »Deshalb hast du meine Hilfe abgelehnt. Aus Furcht, ich könnte deine Schuld entdecken.«
Pachet nickte stumm.
»Wovon im Namen Seths sprecht ihr?«
»Du musst es ihm sagen, Pachet.«
»Was musst du mir sagen?« Sethemhat zog seine Schwester auf die Füße.
»In Tenems Leib leben zwei Seelen«, antwortete die Hohepriesterin mit zitternder Stimme. »Sein eigener Ka wird vom dunklen Geist des Seth verdrängt, wenn er die Stimme in sich hört und zur Maske des Gottes greift. Dann herrscht die dunkle Seite des Seth, des vernichtenden Gottes, der das Chaos bringt.«
»Aber was hat das mit Iras und Meharit zu tun?« Sethemhat durchbohrte seine Schwester mit Blicken. »Thea hatte von Anfang an den Verdacht, Tenem habe sie vergiftet. Ist das wahr?«
»Ich vermute es«, flüsterte Pachet. »Ich kann es nicht beweisen. Aber wenn die grüne Flamme von ihm Besitz ergreift und die Stimme des Gottes ihm den Befehl erteilt, dann ist er zum Töten bereit.«
»Es ist nicht die Stimme des Gottes«, widersprach Lena. »Ich bin schon einmal einem Menschen mit grüner Seelenflamme begegnet. Sie ist das Zeichen des Wahnsinns, nicht der göttlichen Stimmen. Aber nicht alle Menschen, deren Seelenflamme grün leuchtet, sind bösartig.«
»Warum hast du mir nie davon erzählt, Pachet? Warum hattest du so wenig Vertrauen zu mir?«
»Ich konnte es nicht«, flüsterte sie. »Ich wollte es, aber ich konnte es nicht.«
»Warum nicht?«
»Weil ich dich kenne, Bruder. Du hättest nicht gegen die Maat handeln können, aber das Wissen um die Morde hätte dich zerrissen. Dann hätte Tenem gewonnen. Er hätte deine Seele zerstört. Deshalb habe ich geschwiegen und mit der Last gelebt.«
Sethemhat ließ Pachet los. »Möglicherweise kennst du mich doch nicht so gut, wie du glaubst, Schwester.« Dann wandte er sich an Lena. »Wir müssen Philip warnen!«
»Witold ist schon auf dem Weg zu ihm.«
»Er wusste davon?«
»Wir haben keine Geheimnisse voreinander«, entgegnete Lena. »Philip vertraut seinen Männern blind. Er hat ihnen gestern alles über das Gottesurteil erzählt.«
Zu Lenas Überraschung zeigte sich Sethemhat nicht verärgert, sondern nickte nur. »Wenn die Pfähle ausgetauscht wurden, müssten wir Spuren am Holz finden«, sagte er. »Komm! Wir sehen uns den Pfad der Götter noch einmal genau an.«
Der Pfad der Götter war zwischen der Reitbahn und dem künstlichen See angelegt worden. Ringsum hatte man Bänke aufgestellt und Tribünen für die Zuschauer errichtet.
Sowohl am Anfang als auch am Ende des Pfades der Götter erhoben sich hohe Plattformen, wobei jene, die das Ziel darstellte, von einem Zelt überspannt wurde, das den Eintritt in die Welt der Götter symbolisieren sollte.
Die Bohlen waren so hoch, dass zwei Männer übereinanderstehend gerade eben ihre Spitzen berühren konnten. Am erschreckendsten aber waren die Speerspitzen, die dicht an dicht aus dem Boden ragten. Sie befanden sich so eng nebeneinander, dass dazwischen kein Fuß mehr Platz fand. Wer hier stürzte, fand unweigerlich den Tod. Lena fröstelte.
»Erkennst du
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