Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
sondern ausschließlich um sein eigenes Leben. Als er die Pfosten an der Oberseite berührte, klangen alle gleich. Er klopfte mit den Fingerknöcheln gegen die Seiten. Tatsächlich, der linke und der rechte Pfahl waren hohl, der mittlere schien fest zu sein. Noch stimmte die Reihenfolge, die Sethemhat ihm verraten hatte. Er betrat den Pfahl. Nichts geschah. Reichlich ungewohnt war es allerdings, so hoch über dem Boden auf nur einem Bein zu stehen. Wäre er sicher gewesen, welcher Pfosten der nächste war, hätte er alles als halb so schlimm empfunden. Aber er musste jeden einzelnen überprüfen. Und hier konnte er nicht mehr in die Hocke gehen. Er musste sich auf sein Gehör verlassen, wenn er mit dem frei schwebenden Fuß gegen die Pfosten trat.
Der linke war massiv. Die Reihenfolge stimmte noch immer. So ging es eine ganze Weile weiter, bis er zur sechsten Pfahlreihe kam. Eigentlich hätte der rechte Pfahl massiv sein müssen, aber er klang hohl. Und nicht nur das, auch der linke und der mittlere waren hohl!
Einen Augenblick lang stockte Philip der Atem. Wenn er keinen der Pfähle betreten konnte, war es unmöglich, die Reihe dahinter abzuklopfen. Er musste einen großen Schritt tun, um die nächste Reihe überhaupt zu erreichen. Was, wenn die Pfähle dahinter auch alle hohl waren? Vielleicht erwiesen sich aber auch zwei als massiv. Der mittlere wäre wieder an der Reihe gewesen. Ob die Täter nur die beiden rechten Pfähle ausgetauscht hatten? Philip nahm allen Mut zusammen, übersprang die Reihe und landete auf dem mittleren Pfahl. Im ersten Moment wollte er erleichtert ausatmen, aber da brach der Pfahl unter ihm zusammen. Ein lauter Schrei erhob sich in der Menge. Philip handelte sofort, griff nach dem rechten Pfosten und klammerte sich daran fest. Gott sei Dank, der war fest! Er umfasste ihn wie ein Affe einen Palmenstamm. Keine zwei Fuß unter ihm ragten die tödlichen Speerspitzen auf. Ein kurzer Blick zur Tribüne zu Lena. Sogar von hier aus erkannte er, dass sie erbleicht war. Ich habe dir versprochen, dass ich es schaffen werde! Er zog sich hoch, kletterte an dem glatten Stamm hinauf und erreichte die Spitze. Oben angelangt, verschnaufte er eine Weile, musste sich selbst wieder zur Ruhe zwingen. Vor ihm lagen noch mehr als drei Viertel des Weges. Die nächsten festen Pfähle waren wieder ohne Mühe zu finden. Bald darauf hatte er immerhin die Hälfte des Weges zurückgelegt. Dann traf er auf zwei feste Pfosten in einer Reihe. Vermutlich erwarteten ihn also in der nächsten Reihe wieder drei hohle. Tatsächlich. Wieder alle drei. Sollte er noch einmal einen Sprung wagen? Und wenn er diesmal kein Glück hatte? Oder wenn sogar zwei Reihen hintereinander aus hohlen Pfählen bestanden? Nach Sethemhats Warnung wäre der sichere Pfahl der linke gewesen. Was, wenn seine Gegner ihn absichtlich vertauscht hatten? So wie beim letzten Mal? Aber vielleicht auch nicht. Möglicherweise hofften seine Gegner, dass er so dachte. Andererseits – dachten sich Männer, die nachts Pfähle austauschten und am Morgen darauf gleich die nächste Schenke ansteuerten, überhaupt irgendetwas? Lag die Gefahr nicht viel eher darin, dass sie wahllos irgendwelche Pfähle ausgetauscht hatten? Aber dann hatten sie sich vermutlich wenig Mühe gegeben. Es gab also zwei Möglichkeiten. Entweder sie hatten die Pfähle nach eigenem Gutdünken vertauscht, oder aber sie folgten einem Plan, den Tenem ausgeheckt hatte. Wenn dem so war, sprach mehr dafür, dass diesmal der linke Pfosten fest war. Es sprach auch mehr für den linken, wenn die Männer frei entscheiden durften – warum sollten sie sich mit der dritten Reihe noch einmal so viel Mühe machen? Philip holte dreimal tief Luft, dann sprang er. Der linke Pfosten hielt! Ein Raunen lief durch die Reihen der Zuschauer. Philip warf erneut einen Blick zu Lena hinüber. Sie hatte die Hände in den Stoff ihres Kleides gekrallt.
Ich habe es dir versprochen! Ich werde es schaffen!
Mittlerweile lag ein Großteil des Weges hinter ihm. Noch sechs Pfahlreihen, dann hätte er das Ziel erreicht. Die hohlen Pfähle aufzuspüren, fiel ihm inzwischen nicht mehr schwer. Was blieb, war die Angst, wieder auf drei hohle Pfähle nebeneinander zu treffen. Aber genau das geschah kurz vor dem Ziel. Noch drei Reihen, aber die Reihe unmittelbar vor ihm war wieder hohl.
Philip zögerte. Sollte er es abermals auf gut Glück versuchen? Sich überlegen, was seine Gegner sich wohl gedacht hatten? Noch drei
Weitere Kostenlose Bücher