Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
Mikhails Haus lebten weit genug entfernt, um noch das tosende Leben wahrzunehmen, aber dennoch die Ruhe der Abgeschiedenheit zu genießen.
Noch während Thea in die Nacht hinein lauschte, hörte sie etwas anderes – Schritte, ganz in der Nähe. Ein Schatten huschte vor das Tor, ein Mann hustete. Wieder eine Warnung? Hastig zog Thea ihr Kleid an, warf sich den Umhang über, schlüpfte in die Schuhe und verließ das Gemach. Wenn es wirklich Philips Feinde waren, konnte es nur von Vorteil sein, mehr über sie in Erfahrung zu bringen.
Als sie das Tor erreichte, hörte sie noch die Schritte. Vorsichtig öffnete sie die kleine Seitentür, die sie an das Manntor der Burgen erinnerte, das nach dem spätabendlichen Schließen des großen Tores geöffnet wurde.
Tatsächlich, an der Tür hing etwas. Ein Stück Pergament, auf das seltsame Zeichen gemalt waren. Der Täter huschte bereits durch die kleinen Gassen davon. Ohne weiter nachzudenken, folgte ihm Thea. Sie hatte schon oft heimlich Männer verfolgt, vor allem als Kind, wenn sie im Auftrag ihres Vaters unauffällig reichen Kaufleuten nachgeschlichen war und sich vergewissert hatte, ob sie in ihren Taschen Gold mit sich herumtrugen. Niemand hatte damals das kleine Mädchen beachtet, aber inzwischen war sie eine erwachsene Frau, die noch dazu durch ihre Haarfarbe auffiel. Sie zog die Kapuze ihres Umhanges über den Kopf und schnürte sie fest.
Der Mann schien sie nicht zu bemerken. Sein Weg führte ihn durch zahlreiche Gässchen, in denen es nahezu finster war und wo nur der dünne Lichtschein, der durch die Fensterritzen fiel, ein wenig Helligkeit spendete. Thea störte die Dunkelheit nicht. Sie war es gewohnt, sich durch nächtliche Wälder und Städte zu bewegen. Doch dann betrat der Fremde eine breite Straße, die zu Theas Erstaunen von Laternen erleuchtet wurde, die an den Wänden der Häuser hingen. Hier schienen vornehme Leute zu wohnen, die Häuser wirkten so prunkvoll wie die Prachtbauten in Marbilha.
Vor dem größten Haus in der Straße blieb der Mann stehen, klopfte an die Tür und wartete, bis er eingelassen wurde.
Thea atmete tief durch. Das Haus erinnerte von außen an einen jener märchenhaften Paläste, von denen Philip abends an Bord der Windsbraut erzählt hatte. Bei der Erinnerung daran verspürte sie einen Stich. Sie hatte sich auf der Seereise wohlgefühlt, hatte das Gefühl genossen, Teil der Gemeinschaft zu sein. Doch sie durfte sich nicht wohlfühlen. Durfte nicht dazugehören. Sie hatte einen Auftrag. Nicht von Ulf von Regenstein, sondern von ihrem eigenen Stolz. Kein Mann, der sie verraten hatte, durfte am Leben bleiben. Und Philip hatte sie doppelt verraten. Erst ihre Liebe, dann ihren Vater …
Sie hatte es bereits als Kind von ihrem Vater gelernt. Die Feinde unserer Feinde sind unsere Freunde. Thea lehnte sich an eine Hauswand und betrachtete das Gebäude, in dem der Mann verschwunden war. Lebte hier Philips größter Feind? Lohnte es sich, seine Freundschaft zu suchen? Nun, zunächst würde sie abwarten und herausfinden, wem das Haus gehörte. Aber vor allem musste sie die Sprache besser verstehen. Wer verhandeln wollte, brauchte die Macht der Worte.
13. Kapitel
D ie Nacht war kühler gewesen, als Lena es nach der Hitze des Tages erwartet hatte. Inzwischen fielen die ersten Sonnenstrahlen durch das Fenster, und die Wärme kehrte zurück. Philip schlief tief und fest neben ihr. Er rührte sich nicht einmal, als sie sich aus dem Bett erhob. Es war lange her, dass er zuletzt so tief geschlafen hatte. Während der Reise hatte meist eine Bewegung von ihr genügt, um ihn zu wecken. Lena hatte den Eindruck, als sei ein Teil von ihm nie zur Ruhe gekommen und jederzeit auf dem Sprung gewesen, wenn irgendeine Unbill drohte. Nun war er zu Hause, und obwohl hier nicht alles zum Besten stand, fühlte er sich doch sicher. Er schlief noch, als sie sich längst angezogen hatte und das Zimmer verließ.
Am Tag zuvor hatten die vielen neuen Eindrücke Lena geradezu erschlagen, aber nun stellte sie fest, wie wenig sie bislang wusste und vom Haus gesehen hatte. Nahmen alle Bewohner das Morgenmahl zusammen ein? Oder bediente sich jeder selbst, so wie es auf Burg Birkenfeld in der Frühe üblich war? Und wo befand sich die Küche?
Während sie über die Stufen ins untere Stockwerk stieg, fiel ihr Blick auf die weit geöffnete Tür, die in den Garten führte, der wie ein Hof geschützt zwischen den Gebäuden lag. Schon tags zuvor hatte sie
Weitere Kostenlose Bücher