Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
Die beiden brannten natürlich darauf, die Erlebnisse ihres Enkels und Sohnes zu erfahren. Und so kam er ihrem Wunsch nach und berichtete von den ungewöhnlichen Abenteuern, die ihn zum Grafen von Birkenfeld gemacht hatten.
Lena war in der Zwischenzeit mit Meret und Sophia ins obere Stockwerk hinaufgestiegen. Dort gab es einen Raum, nicht ganz so groß wie der Speisesaal im Erdgeschoss, der aber nicht weniger vornehm eingerichtet war. Hier empfingen die Frauen des Hauses ihre Gäste. Wie unten lagen auch hier viele Sitzkissen um ein rundes Tischchen. Philips Mutter Meret nahm Platz, Lena tat es ihr nach, nur Sophia blieb unschlüssig stehen.
»Wo ist Thea?«, fragte sie.
»Thea geht im Allgemeinen ihre eigene Wege«, antwortete Lena. »Sie ist anders als die meisten Frauen.«
»Anders?« Sophia ließ sich neben Lena nieder und blickte sie voller Neugier an.
»Nun ja …« Lena zögerte. Sie wollte Thea keinesfalls bloßstellen, aber über kurz oder lang würden Sophia und Meret ohnehin bemerken, dass Thea keinerlei Benehmen hatte. »Sie ist bei ihrem Vater aufgewachsen, und der hat sie wie einen Sohn erzogen. Sie weiß das Schwert zu führen, aber die Gepflogenheiten, die von einer vornehmen Frau erwartet werden, sind ihr fremd, obwohl sie die Enkelin eines Herzogs ist.«
»Sie kann mit dem Schwert umgehen?« Sophias Augen wurden immer größer. »Du musst uns alles erzählen!«
Lena lachte. »Keine Sorge, ich lasse nichts aus. Aber ich wüsste auch gern mehr über das Leben in Alexandria. Was hat es mit diesem Khalil auf sich? Philip hat mir nur erzählt, dass er mit dessen Vater befreundet war und sich deshalb den Hass des Sohnes zuzog.«
»Khalil ist tot«, wiederholte Philips Mutter Saids Aussage. »Said hat ihn vor sieben Jahren getötet, als er Philip umbringen wollte. Es war eine grauenvolle Nacht, beinahe hätten wir Philip verloren.« Meret bekreuzigte sich. »Hätte Khalil überlebt, dann hätte er sich viel früher gerächt.«
»Also benutzt ein Unbekannter seinen Namen?«
Philips Mutter nickte. »Davon gehen wir aus. Khalils Bande war gefürchtet, und die Schakalpfote galt als ihr Zeichen. Eine Drohung, die niemand unterschätzen sollte.«
»Eine Kriegserklärung?«
»So kann man sagen, ja. Und ich fürchte, diese Kriegserklärung gilt Philip. Sie tauchte zum ersten Mal auf, nachdem wir den Brief erhalten hatten, in dem er seine Rückkehr ankündigte. Es war kein Geheimnis, wir haben uns sehr gefreut und es überall erzählt.«
»Aber warum kommen diese Drohungen erst jetzt? Warum nicht schon viel früher?«
Philips Mutter hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Vermutlich wagte sich die Bande nicht ans Licht, solange Otto noch lebte.« Meret seufzte. »Philips Vater war ein großartiger Mann. Als Khalil Philip beinahe getötet hätte, wurde Otto so zornig, dass er den Emir selbst aufsuchte und diesen um Männer bat, die mit ihm das Raubgesindel ausräuchern sollten. Sein Auftritt beeindruckte den Herrscher, denn Otto hatte vor nichts und niemandem Angst, und er vermochte sowohl Christen als auch Muslime zu einen, um Khalils Bande zu vernichten. Otto führte die Männer an, die in den Gassen für Ruhe und Ordnung sorgten, und das trug ihm die Achtung und Freundschaft des Emirs ein. Seither herrschte Frieden, und die Schakalpfote verschwand. Aber dann kam es zu diesem tragischen Unglück. Otto starb, und Philip, der eigentlich die Stärke und die Tatkraft seines Vaters geerbt hatte, verlor jeglichen Lebensmut. Philip liebte seinen Vater, er hätte alles für ihn getan.« Meret seufzte abermals. »Dass ausgerechnet er die Schuld am Tod seines Vaters auf sich geladen hatte, war mehr, als er ertragen konnte. Es gab eine Zeit, da fürchteten wir, Philip würde vor Gram sterben.«
Lena nickte. Sie erinnerte sich an ihre erste Begegnung mit Philip. Nach außen hin ein Mann voller Kraft und Selbstsicherheit, aber sie hatte von Anfang an gespürt, dass noch etwas anderes dahintersteckte. Dass er einen tiefen Schmerz in sich trug, den er mit aller Macht vor sich selbst und der Welt zu verbergen trachtete.
»Du hast ihm seine Seele zurückgegeben.« Meret griff nach der Hand ihrer Schwiegertochter. »Dafür werden wir dir ewig dankbar sein.«
Lena spürte, wie ihr das Blut in die Wangen schoss.
»Er hat auch mich gerettet«, sagte sie leise. »Ohne ihn wäre ich einem heimtückischen Mordanschlag zum Opfer gefallen. Und das konnte er nur, weil er den Kampf um seine Seele längst gewonnen
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