Sündenheilerin 03 - Die Reise der Sündenheilerin: Historischer Roman (Sündenheilerin-Reihe) (German Edition)
wollte möglichst unauffällig von der Tafel verschwinden. Doch Lena war schneller und hielt ihn zurück.
»Bertram, ich möchte mit dir reden.«
»Ja, Frau Helena.« Er senkte den Kopf, als würde er wie ein armer Sünder vor Gericht geführt.
»Suchen wir uns einen Platz im Innengarten!«, schlug Lena vor. Bertram nickte schwach. Vermutlich hätte er genauso genickt, wenn sie ihm befohlen hätte, ins Fegefeuer hinabzusteigen.
Zielstrebig ging sie auf die kleine Bank zwischen den blühenden Granatapfelbäumen zu. Wie sehr sich die Bilder glichen! Philip hatte ihr zwischen zwei blühenden Kirschbäumen sein Herz geöffnet. Ob es ihr wohl gelang, endlich hinter Bertrams Geheimnis zu kommen?
Zögernd nahm der Junge neben ihr Platz.
»Philip bat mich, mit dir zu sprechen«, begann sie.
»Ich weiß, er bat auch mich darum«, lautete die Antwort.
»Keine Schuld wiegt so schwer, als dass sie durch eine Aussprache nicht leichter würde.« Lena sah Bertram aufmunternd an. »Du hast mir erzählt, du hättest Ritter Hermann verflucht, auf dass ihn der Schlag treffe. Und dann traf ihn tatsächlich der Schlag, und seither glaubst du, deine Flüche würden wahr.«
Bertram schwieg.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass du grundlos geflucht hast. Nicht du, Bertram. Ich habe selten einen jungen Mann deines Alters getroffen, der so zurückhaltend und feinfühlig ist. Wenn du die Beherrschung verloren hast, dann muss etwas Schlimmes geschehen sein.«
Bertram schluckte, schwieg aber noch immer.
»Glaubst du, Ritter Hermann hat deinen Fluch verdient?«
»Ich … ich wollte nicht, dass das geschieht!«
»Natürlich nicht.« Lena wartete ab, ob Bertram wohl von sich aus weitersprach. Doch nichts geschah. Der Junge saß steif neben ihr und starrte auf die gegenüberliegende Gartenmauer. Ein kleiner Vogel saß darauf, doch kaum hatte Lena ihn bemerkt, flog er davon, so als hätte ihn allein ihr Blick vertrieben.
»Wir Menschen sind schon sonderbar«, ergriff sie schließlich abermals das Wort. Ihr war klar geworden, dass Bertram sonst bis zum Jüngsten Tag schweigend neben ihr sitzen geblieben wäre. »Ich bin einmal einem Mann begegnet, den ebenfalls der Schlag getroffen hatte. Es war geschehen, nachdem seine einzige Tochter sich von einem Nichtsnutz hatte schwängern lassen, der sie dann sitzen ließ. Seine Angehörigen meinten, die plötzliche Nachricht über jenes Unheil sei die Ursache gewesen.«
Bertram erwiderte nichts, schien Lena aber aufmerksam zuzuhören.
»Traf Ritter Hermann der Schlag etwa gar nicht wegen deines Fluches, sondern wegen der Sache, für die du ihn verflucht hast?«
Bertram schluckte erst, dann würgte er.
»Was hat Ritter Hermann getan?«, bohrte Lena entschlossen nach.
»Er … er … Nein! Das kann ich nicht sagen! Nicht vor einer ehrbaren Frau wie Euch.« Er wollte aufspringen, doch Lena erhob sich rasch und packte ihn mit aller Kraft am rechten Handgelenk.
»Du ahnst nicht, was eine ehrbare Frau wie ich schon alles gehört und gesehen hat. Also, was war es?«
Ganz kurz blitzte Zorn in Bertrams Augen auf. Lena hielt sein Gelenk fest umklammert, dennoch hätte er sich losreißen können, allerdings nur mit Gewalt.
Der Knappe atmete mehrfach tief durch, dann setzte er sich wieder.
»Wenn Ihr es unbedingt hören wollt …«, flüsterte er. »Ich mochte Ritter Hermann. Ich fühlte mich stets wohl bei ihm. Er ging nicht mit Härte und Strenge vor, sondern war immer väterlich.« Bertram schluckte erneut, und Lena ließ ihn los. »Allerdings war ich verwirrt, als ich mehr über ihn erfuhr. Wisst Ihr, bei uns auf Burg Hohnstein wird die Moral hochgehalten. Mein Bruder Johann käme niemals auf den Gedanken, seiner Mechthild untreu zu werden, und mein Vater trägt seine Witwerschaft mit Würde. Bei Ritter Hermann war das anders …«
»Er hatte eine Geliebte?«
»Eine Kebse«, verbesserte Bertram. »Zunächst habe ich mir nichts dabei gedacht, auch wenn es für mich ungewohnt war und allem widersprach, was man mich an Tugend gelehrt hatte. Doch ich wusste, dass viele Ritter derart handeln, und tröstete mich damit, dass auch Hermann Witwer war und ein anderes Verhältnis als das einer Kebse mit seiner Magd nicht möglich war. Zudem hatte ich den Eindruck, dass er sie aufrichtig liebte.«
»Was geschah dann?«
»Nun, mein Eindruck, dass er Agatha liebte, wurde bestätigt. Ich bin mir sicher, dass er sie geheiratet hätte, wenn es nicht die Standesschranken zwischen ihnen gegeben hätte.
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