Sündenjagd: Deadly Sins 1 - Roman (German Edition)
Buntglas in den Bögen vor; den Steinboden, auf dem ein riesiger, unfassbar alter Perserteppich lag. Die abgewetzten Ledersofas,
die Leselampen, die friedliche Ruhe. Die Bibliothek war ein Ort der Zuflucht, ein Ort des Studierens und Ausruhens. Die intensive praktische Ausbildung – das körperliche Training – fand weit weg in Amerika statt, vielleicht, um Gewalt und Forschung voneinander zu trennen, höchstwahrscheinlich aber, um den Orden davor zu schützen, mit einem Schlag ausgelöscht zu werden.
Moira hatte unzählige Stunden mit Peter in der Bibliothek verbracht, um die alten Texte zu studieren. Viele der anderen waren ihr gegenüber skeptisch gewesen, doch Pater Philip hatte ihr gestattet zu bleiben. Er hatte ihr das Leben gerettet und sich um sie gekümmert, als sie dachte, es gäbe keine Hoffnung mehr. Er hatte sie zu dem heiligen Ort gebracht, hatte sie unterrichtet und Peter ermutigt, ihr zu helfen. Es schmerzte sie sehr, dass der Geistliche sich für die Tragödie, die sich im Anschluss ereignet hatte, verantwortlich fühlte, hatte es sich doch nicht um seinen Fehler gehandelt. Sie hatte seine Anweisung, sich von der Zauberei fernzuhalten, nicht befolgt. Sie wollte den Schaden, den ihre Mutter und der Hexenzirkel verursacht hatten, ungeschehen machen. Und der einzige Weg, den sie kannte, um Zauberei zu bezwingen, bestand nun einmal in Zauberei, doch sie und Peter waren dabei viel zu weit gegangen. Sie hatte nicht erkannt, wie hoch der Preis sein würde, dafür aber auf bittere Weise gelernt, dass Hexerei selbst mit guten Absichten nur das Böse hervorbrachte.
Pater Philip unterbrach ihre Gedanken, als er den Hörer in die Hand nahm und mit leichtem Akzent zu ihr sagte: »Moira, seit sechs Monaten habe ich nichts mehr von dir gehört!«
Sie wollte dem Pater nicht erklären, warum sie weder ihn noch irgendjemand anders kontaktiert hatte, der mit St. Michael in Verbindung stand. Lag es an ihren Zweifeln? An ihren Ängsten? Oder war es die mit ihrer Mission verbundene Einsamkeit, die sie vor den wenigen Menschen, denen sie am Herzen lag
und die sie gut genug kannten, um ihren Schmerz zu bemerken, verstecken wollte?
Diese Vision aber war anders, und der Pater war der einzige Mensch, der ihr vielleicht Antworten geben konnte. »Ich hatte eine weitere Vision. Ich kann mich nicht an viel erinnern, aber ein Tor zur Hölle ist dabei, sich zu öffnen.«
»Wo?«
»Ich weiß es nicht!« Sie biss sich auf die Zunge. Sie war nicht böse auf den alten Geistlichen, sondern enttäuscht von sich selbst. Enttäuscht und allein. Sie vermisste Peter fürchterlich, doch jedes Mal, wenn sie die Gedanken, die in ihr hochkamen, zuließ, erinnerte sie sich nur an seinen Tod.
»Wo bist du?«
»Im nördlichen Teil des Staates New York. Ich habe hier einen ritualhaften Mord untersucht, der an Halloween von so einem dämlichen Serienmörder begangen wurde, sein sechster Mord innerhalb von zwei Jahren. Der Mord hat rein gar nichts mit Fiona zu tun.« Sie ekelte sich vor sich selbst, dass dieser Mord sie dazu verleitet hatte herzukommen, nur weil eine Frau auf einem Friedhof umgebracht worden war. Fiona ging nicht so grobschlächtig vor.
Moiras Mutter tötete mit Stil.
Sie fügte hinzu: »Mir tut meine Narbe weh. So hat sie sich noch nie angefühlt.«
Pater Philip erwiderte nichts. Ihr Herz raste; was dachte er gerade? Dass sie wieder von ihr Besitz nahmen? Dass sie etwas erfand? Dass sie nun endgültig ihren Verstand verloren hatte und überall Anzeichen dämonischen Treibens sah?
Tastend suchte sie in ihrem Rucksack nach dem Fläschchen mit den Aspirintabletten und schüttete sich vier in die Hand, die sie ohne Wasser hinunterschluckte. Ein bitterer, kreidiger Geschmack legte sich auf ihre Zunge. Sie drehte den Wasserhahn auf, füllte Wasser in ihre hohlen Hände und trank daraus. Das
Telefon klemmte währenddessen zwischen ihrer Schulter und ihrem Ohr.
»Pater?«
Er räusperte sich. »Das ist ein Zeichen.«
»Das stehe ich nicht noch einmal durch.« Jedes Mal, wenn sie eine Vision hatte, endete diese kläglich. Sie musste bei diesem Gedanken fast lachen – was für eine Untertreibung!
»Ich habe nicht gesagt, dass es ein schlechtes Zeichen ist. Da muss ich nachforschen.«
Aha, kein schlechtes Zeichen, so wie bei der »Pforte zur Hölle«? Doch Moira schluckte ihren Sarkasmus hinunter und flehte: »Sagen Sie mir die Wahrheit, Pater, bitte!«
»Ich bin mir nicht sicher; ich habe eine Vermutung. Lass
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