Sündenjagd: Deadly Sins 1 - Roman (German Edition)
auf ihn aus, dass er am liebsten in ihren Blick eingetaucht wäre.
Rafe setzte sich auf die Couch und sah weg. Er sollte sie auf diese Weise, so voller Verlangen nach etwas, das er nicht haben konnte, nicht anschauen. Er hatte durch sein Begehren bereits so viel verloren; er hatte sich von einer Hexe verführen lassen. Das würde ihm nicht noch einmal passieren.
Er hatte das Gefühl, Dinge über Moira zu wissen, die er nicht wissen konnte, doch jedes Mal, wenn er versuchte, sich zu konzentrieren, verflüchtigten sich die Erinnerungen – sollten es wirklich Erinnerungen sein. Er wollte zu gerne glauben, dass da nichts war, nur ein angenehmes Gefühl, das er verspürte, seit Moira ihn gefunden hatte.
Er wusste, dass mehr dahintersteckte.
Sie schaute ihn fragend an, doch hatte er nicht die Antwort parat, von der er wusste, dass sie sie hören wollte. Noch nicht.
Also sagte er: »Ich stimme dir zu, dass wir Lily finden müssen, aber ich bleibe nicht hier, während du dich in Gefahr begibst.«
Sie setzte sich auf den kleinen Tisch gegenüber von ihm. »Du bist noch nicht hundertprozentig fit.« Sie lächelte und versuchte, einen Witz zu machen. »Ein Koma kann ganz schön ermüdend sein.«
Er lächelte nicht zurück, sondern strich mit seiner Hand über einen Bluterguss in ihrem Gesicht, der sich von ihrem Hals bis zu ihrer Wange gebildet hatte. »Was ist da passiert? Der ist neu.«
»Der stammt von Fiona, meiner Mutter.« Moira sah weg, die Berührung war ihr unangenehm. Rafe ließ seine Hand sinken.
»Der Anführerin des Hexenzirkels.«
»Hör zu, Rafe.« Sie stand auf, zappelte herum, nahm die Wasserflasche vom Tisch und trank mit hastigen Schlucken daraus. »Fiona plant ein weiteres Ritual, in dem sie Lily als Köder für die Sieben einsetzen wird. Wir müssen sie also holen, hierherbringen und abwechselnd schlafen, ja? Zwei Stunden Schlaf, und ich bin wieder fit.«
Sie warf ihm einen Müsliriegel und eine Wasserflasche zu. »Hier, iss das!« Sie riss die Verpackung ihres Riegels auf und biss hinein. »Du wirst Kraft brauchen«, meinte sie mit vollem Mund.
Er biss ebenfalls in den faden Riegel. Kaute. Und schluckte.
Moira musterte ihn unverhohlen mit einem fragenden, neugierigen, ehrlichen Blick. Ihre Stärke rührte ihn. Nicht nur ihre körperliche, von der er sich hatte überzeugen können, als sie ihn praktisch von der Hütte bis zu Jareds Wagen getragen und vom Wagen ins Hotelzimmer gebracht hatte, sondern auch ihre innere Stärke. Sie besaß einen solch grundsoliden Charakter, war so standhaft und resolut, dass er ihr vertrauen musste. Das
eigenartige Gefühl, ihr schon einmal begegnet zu sein, flackerte auf und verschwand dann wieder. Er versuchte nicht, es festzuhalten, da er wusste, wenn er in seiner Erinnerung danach wühlen würde, kämen seine Kopfschmerzen wieder zurück.
Mit leiser Stimme vertraute er sich ihr an: »Ich kann mich … an Dinge erinnern.«
Sie stand angelehnt am Schreibtisch und beobachtete ihn mit scharfem Blick. »Woran?«
»Ich habe den ganzen Tag und die ganze Nacht darüber nachgedacht. Ich habe gehört, wie du zu Anthony meintest, seine Schutzmaßnahmen könnten vielleicht mein Krankenzimmer, aber nicht mich beschützt haben. Moira, ich bin irgendwohin gebracht worden – fast jede Nacht! Ich war in dem Krankenhaus – ich denke, ich könnte das Zimmer wiederfinden. Vielleicht gibt es dort Informationen, die mir helfen herauszufinden, was sie mit mir gemacht haben.«
Moira glaubte Rafe, glaubte alles, was er sagte, und auch das, was er nicht sagte. Er war greifbar und flüchtig zugleich. Stark, aber dennoch verwundbar. Er täuschte niemanden vorsätzlich, trotzdem spürte sie tief in ihrem Innern, dass er ihr etwas vorenthielt. Er log sie jedoch nicht an, erzählte ihr nur nicht alles. Sie erwartete zwar nicht von ihm, sich ihr gegenüber vollkommen zu öffnen und über alles zu sprechen, was ihm in der Mission und im Krankenhaus zugestoßen war, doch sie erwartete, dass er ihr keine Fakten vorenthielt, die wichtig waren. Nichts, wodurch sie und andere sterben oder ihnen noch Schlimmeres widerfahren könnte.
Denn es gab Schlimmeres als den Tod.
»Sag mir, was du mir verheimlichst!«, forderte sie ihn auf.
Verwirrt und überrascht neigte er seinen Kopf zur Seite. Es war eine gewinnende Geste, und sie musste ihren ganzen Willen aufbringen, um ihn weiter anzusehen und nicht wegzuschauen. Sie durfte keine Schwäche ihm gegenüber zeigen und nicht
nachgiebig werden.
Weitere Kostenlose Bücher