Sündenkreis: Thriller (German Edition)
hatte.
»Ist es die Leiche auf der Bahre?« Friedrich Westermann tauchte aus der Küche auf, einen großen Becher Kaffee in der Rechten.
»Eine Leiche? Auf einer Bahre?« Toms Mund schloss sich mit einem Schnappen, während Lara nickte.
»Das kam doch in allen News. Bei dieser Modenschau gestern Abend wurde ein Model ermordet. Im Brautkleid.« Friedrich drehte sich um und ging zu seinem Rechner. Nächstes Jahr würde er in Rente gehen. Nichts und niemand konnte ihn mehr erschüttern.
»Und du warst dort?«
»Ich habe alles gesehen und fotografiert.« Lara schluckte, als sie an die klaffende Halswunde und das viele Blut dachte.
»Fotos auch? Super, Lara.« Toms Augen funkelten jetzt. Sie hatten eine Riesenstory! »Lade die Bilder auf den Server, dann kann Kollege Selbig sie gleich bearbeiten.« Er sah sich um, als suche er den Fotografen, und auch Lara dachte darüber nach, wo Jo sein mochte. Er war doch vor ihr in der Redaktion eingetroffen. Oder versteckte er sich, weil er sonst hätte zugeben müssen, die Bilder bereits alle gesehen zu haben? »Danach kommst du zu mir und berichtest mir jedes Detail, damit wir entscheiden können, wie wir die Artikel gestalten. Das wird morgen der Aufmacher!« Tom Fränkel rieb sich die Hände und verschwand in seinem Büro.
»Ach hier sitzt du.« Lara trat hinter Jos Drehstuhl. Der Kollege hatte sich in den hintersten Raum zurückgezogen. Seine Finger huschten über die Tasten, auf dem Bildschirm poppten Fenster auf und verschwanden sofort wieder.
»Ich hab schon mal mit den Fotos angefangen. Setz dich.«
»Tom will mit der Sache morgen aufmachen.«
»Das kann ich verstehen. Welche Zeitung würde das nicht tun! Gab es noch mehr Presseleute dort?«
»Nein. So wichtig sind diese Graduierten-Schauen dann nun auch wieder nicht.«
»Also sind wir die Einzigen, die Fotos davon haben?« Jo sprach, ohne Lara anzusehen. Seine ganze Konzentration galt den Bildern auf dem Monitor.
»Darüber habe ich bei all der Aufregung noch gar nicht nachgedacht. Mit Sicherheit haben aber welche von den Gästen mit ihren Handys fotografiert oder gefilmt.«
»Handyfotos sind meistens Schrott. Darüber brauchen wir uns keine Sorgen zu machen. Die besitzen fast nie Druckqualität.« Jo machte eine wegwerfende Handbewegung, ehe er fortfuhr. »Du könntest die Bilder Agenturen oder überregionalen Zeitungen anbieten und ein bisschen pokern. Ich bin sicher, dass sie dir etwas dafür zahlen.«
»Oh.« Lara betrachtete das unscharfe Foto auf dem Bildschirm. Auf die Idee war sie noch gar nicht gekommen. Aber sie hatte ja sonst auch nichts mit der Fotografiererei zu tun.
»Exklusivfotos sind immer gefragt. Wenn wir eins finden, das scharf genug ist.« Jo sah kurz zu Lara und grinste.
»Ich war ziemlich aufgeregt.«
»Das war ein Scherz, Lara. Du darfst nicht immer alles wörtlich nehmen. Soll ich dir beim Kontakt mit den Agenturen helfen? Ich habe im Laufe meiner Tätigkeit schon einige Bilder meistbietend verkauft. Von den Einnahmen gehen wir dann schön essen.«
»Lieber nicht. Tom ist ganz begeistert von der Sache und will morgen damit aufmachen. Ich komme in Teufels Küche, wenn ich die Fotos anderweitig verhökere. Warten wir erst einmal ab, was bei uns erscheint, danach können wir die Bilder immer noch einer Agentur anbieten.« Jo nickte, setzte zu einer Erwiderung an, hielt inne und beugte den Oberkörper vor. »Da ist es ja. Das wollte ich mir noch einmal genauer anschauen.« Auf dem Monitor war das Bild des toten Models auf der Trage zu sehen. Lara hatte schräg von der Seite fotografiert.
Jo vergrößerte das Gesicht. »Siehst du das? Auf ihrer Stirn? Die beiden dunklen Streifen? Ich möchte zu gern wissen, was das ist. Wir haben doch gestern Abend schon darüber geredet. Hast du eine Ahnung? Du hast es doch im Original gesehen.«
»Ich sehe das jetzt zum ersten Mal bewusst. Bei der Modenschau ist mir nichts dergleichen aufgefallen, da war aber auch ein heilloses Durcheinander. Models rannten wie aufgescheuchte Hühner hin und her, manche Leute weinten, anderen schrien, das Licht der Scheinwerfer schwankte vor und zurück; ich war selbst ziemlich durcheinander.«
»Das sieht aus wie Buchstaben.« Jos Nase berührte jetzt fast den Bildschirm. »Zwei nebeneinanderstehende Wörter. Oder was meinst du?«
»Könnte sein.«
Jo vergrößerte stärker. Das Gesicht, das einmal Kate Moss geähnelt hatte, hatte eine bläuliche Farbe. Der Kontrast wurde durch die dunkelrot klaffende Wunde
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