Sündenkreis: Thriller (German Edition)
verwirrt.
Jetzt war sich Romain sicher. Der Junge hatte nicht geplaudert, und sein Vater fischte im Trüben. Es konnte trotzdem nichts schaden, noch ein wenig Nebel zu erzeugen. »Möglich wäre das, Frieder. Kinder fühlen sich oft schuldig, wenn im Elternhaus etwas schiefläuft, und denken dann, es läge an ihnen. Marcel vermisst wahrscheinlich seine Mutter.« Romain Holländer ließ ein kleines sanftmütiges Lächeln erscheinen, so, als verstehe er den Vater vollkommen. Gleichzeitig hatte er ihm damit den schwarzen Peter zugeschoben.
»Er braucht sie nicht zu vermissen!« Frieder Wörth schlug die Handfläche auf den Oberschenkel. »Marcel hat bei mir alles, was er benötigt!«
»Das weiß ich doch, Frieder. Ich versuche nur zu verstehen, was hinter dem Verhalten deines Sohnes stecken könnte. Es ist ein gravierender Einschnitt für ein Kind, wenn es die Mutter verliert, egal weswegen.«
»Mein Sohn und ich sind froh, dass Susann weg ist! Sie ist eine Hure!«
»Sprich nicht so harsch von der Mutter deines Kindes.« Romain Holländer verbarg seine Triumphgefühle. Frieder Wörth hatte den Köder geschluckt und sich in das Thema »Fremdgehen« verbissen.
»Ich spreche von ihr, wie ich es will! Da draußen laufen zügellose Frauen herum, die sich aufreizend kleiden und übermäßig schminken. Sie bieten sich Männern an, huren herum, präsentieren ihre Reize. Und Susann ist jetzt eine von ihnen! So verhält sich keine anständige Mutter! Für uns ist diese Person gestorben!« Frieder Wörth holte tief Luft. Gesicht und Hals waren hochrot.
»Ich akzeptiere deinen Zorn, Frieder, was nicht heißt, dass ich deinem Urteil beipflichte. Wir Kinder des Himmels bemühen uns, jedem zu verzeihen, und der reuige Sünder ist bei uns jederzeit willkommen. Bitte denk immer daran.« Nun legte Romain dem Mann kurz die Handfläche auf den Arm. »Ich will dir und Marcel helfen und schlage vor, wir beide behalten deinen Sohn im Auge, aber ohne ihn darauf anzusprechen, sonst verstören wir ihn womöglich noch mehr. Er braucht Abstand und darf nicht ständig daran erinnert werden, dann wird er mit der Zeit darüber hinwegkommen.« Damit war dafür gesorgt, dass der Mann nicht weiter in seinen Sohn drang.
»Bist du damit einverstanden? Dann lass uns nun in unsere Zimmer gehen.« Frieder Wörth nickte, und Romain Holländer erhob sich.
Manche der Gemeindemitglieder wohnten hier. Die »Kirche« war keine wirkliche Kirche, sondern eine sorgfältig restaurierte dreistöckige Gründerzeitvilla mit einem riesigen Park, der von einer drei Meter hohen Mauer umgeben war, damit niemand hereinschauen konnte.
Er selbst residierte ganz oben. Zwar waren die Räume unter dem Dach eher karg – hier hatten früher die Dienstboten gewohnt – aber Romain vermisste den Stuck und die Parkettböden nicht. Niemand außer seiner jeweiligen Haushaltshilfe und ihm durfte die Räume betreten. Die Gemeindemitglieder sollten glauben, dass er wie ein Eremit lebte. Und das tat er ja auch auf seine Weise.
Romain Holländer löschte das Licht und schloss die Tür. Dann legte er Frieder Wörth die Hand auf die Schulter und blickte ihm in die Augen, in denen nichts Feindseliges mehr lag. »Begib dich zur Ruhe. Wir lösen dein Problem.«
»Gute Nacht.« Der Mann ging davon, den Rücken gebeugt. Romain Holländer sah ihm nach.
In den nächsten Tagen würde er in einer ruhigen Minute den ehemaligen Altardiener beiseitenehmen und erneut instruieren müssen. Das, was der Junge für seinen Prinzipal getan hatte, war ein Dienst an der höheren Macht gewesen, nichts anderes. Und man durfte zu niemandem darüber sprechen, sonst würde die Hölle über einen hereinbrechen.
7
»Morgen.« Der neue Praktikant erschien. Wie jeden Tag fünf Minuten zu spät. Markus Lehmann war klein, dicklich und maulfaul. Lara wurde das Gefühl nicht los, dass er den Redaktionsmitarbeitern hinterherspionierte. Aber wenigstens würde Tom nicht versuchen, ihn zu verführen. Sie grinste kurz und wandte sich wieder ihrem Artikel zu.
Hubert Belli saß ihr gegenüber und tippte verbissen. Seine Finger schlugen auf die Tasten, dass es in der ganzen Redaktion zu hören war. Seit Tom zum Redaktionsleiter aufgestiegen war, hatte er dessen ehemaligen Platz besetzt.
Lara überflog die News. Das ist die Brautleiche! , lautete die Balkenüberschrift auf der Website der Bild -Zeitung. Darunter befand sich ein großformatiges Foto von Carolin Fresnel in einem blauen Etuikleid. Das Model lächelte
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