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Sündenkreis: Thriller (German Edition)

Sündenkreis: Thriller (German Edition)

Titel: Sündenkreis: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
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umzusehen, marschierte Jo zum Eingang, drückte auf ein paar Klingelknöpfe, wartete, bis der Summer ertönte und ignorierte das »Hallo?« aus der Wechselsprechanlage.
    Im zweiten Stock war die Sicht am besten. Ein Fotograf musste immer nach Möglichkeiten suchen, interessante Perspektiven für seine Bilder zu wählen. Jo rang nach Luft, stellte sich an eins der Fenster im Treppenhaus und nahm die Kamera vors Auge. Er hatte richtig gedacht. Von hier aus war die Sicht auf das Geschehen fast perfekt, ungestört von drängelnden Gaffern und bärbeißigen Polizisten. Die Scheiben der Bankfiliale waren blank, und Jo war zum ersten Mal seit Tagen dankbar dafür, dass die Sonne nicht schien und die Fenster und sein Kameraauge blind machte. Leise surrte der Zoom. Es war eine kleine Zweigstelle. Er konnte leicht schräg von oben den Eingangsbereich sehen, einen großen verwinkelten Raum mit mehreren Geldautomaten und Kontoauszugsdruckern. Beamte der Spurensicherung wuselten durcheinander. Ab und zu wurde der Blick auf das, was sie da untersuchten, frei. Zuerst konnte Jo nicht erkennen, worum es sich bei dem Gebilde handelte, aber nachdem er seinen Standort einen halben Meter nach links verlagert und ein bisschen an den Einstellungen der Kamera herumgespielt hatte, sah er es. Vor einem der Geldautomaten lag ein lebloser Körper. Jo korrigierte sich: Der Tote lag nicht, er saß . Saß, die Arme zu beiden Seiten des grauen Kastens in einer makabren Umarmung ausgestreckt. Die Beamten der Spurensicherung eilten von hier nach da, wie unbeholfene Schneemänner, die nicht recht wussten, wohin. Und doch verlief ihr Tanz nach einer streng vorgegebenen Choreografie, die nur sie selbst kannten.
    Während sein rechter Zeigefinger unentwegt auf den Auslöser drückte: Klick, Klick, Klick, sortierte Jo seine Gedanken. Die Leiche war männlich. Aus seiner Perspektive sah er nur den Hinterkopf. Die Haare waren dunkel und kurz. Ein jüngerer Mann wahrscheinlich. Der Schalterraum, der hinter dem Eingangsbereich lag, schien verschlossen zu sein.
    Jetzt fuhr der Transporter, der den Toten in die Rechtsmedizin bringen würde, vor. In der Bankfiliale bereiteten sie die Leiche auf den Abtransport vor. Jo schaltete auf Filmmodus um, um nichts zu verpassen. Für den Bruchteil einer Sekunde sah er das Gesicht des Mannes, doch noch ehe er es bewusst wahrnehmen konnte, war der gesamte Körper schon in dem Plastiksack verschwunden.
    Auf Jos Netzhaut brannte ein Bild. Eine helle Fläche, Augen und Mund verwaschene dunkle Kleckse in dem Oval. Und etwas, das nicht hingehörte: ein rußfarbener Streifen auf der Stirn. Es konnte eine Täuschung sein, es konnte Schmutz sein, es konnte alles Mögliche sein. Es konnten aber auch zwei tätowierte Wörter sein. Wenn überhaupt, würde nur eine Bild-für-Bild-Auswertung am Monitor Aufschluss geben können. Der Transporter fuhr langsam los, und Jo schaltete seine Kamera ab.
    »Was machen Sie hier?« Die Stimme kam vom oberen Treppenabsatz. Ein alter Mann stand mit drohendem Gesichtsausdruck dort; die Rechte um das Geländer geklammert, mit der Linken mit einer Krücke fuchtelnd, als wollte er dem ungebetenen Eindringling damit eins überziehen.
    »Ich bin schon weg.« Jo schloss die Kameratasche und hastete nach unten. Nicht dass der Alte ihm tatsächlich noch eins auf die Mütze gab! Unwirsches Gebrabbel verfolgte ihn, bis sich die Eingangstür hinter ihm schloss. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite löste sich die Menschenmenge auf. Die Leiche war fort, es gab nichts Spannendes mehr zu sehen. Die Kripo würde noch einige Zeit in der Bank Spuren sichern, aber das war für die meisten Leute uninteressant.
    Jo stolperte hinüber, ehe sie alle weg waren. Er war kein Journalist, aber das Ganze hatte ihn neugierig gemacht. Er wollte ein paar Passanten auf der Straße befragen und dann Lara anrufen. Jo Selbig war sich ziemlich sicher, dass dieser Todesfall sie genauso interessieren würde wie ihn.
    »Ich möchte gern die Mitglieder Ihrer Gemeinde kennenlernen.«
    »Alle?« Romain Holländer stellte die Tasse ab und knipste sein Lächeln an. »Ein Spaß. Natürlich können Sie das. So sie mit Ihnen sprechen wollen – kein Problem. Zwingen kann ich natürlich niemanden.«
    »Schön.«
    »Darf ich Sie vielleicht zu unserer Abendspeisung einladen? Wir treffen uns an den Wochentagen immer um sieben. Danach hat sicher der eine oder andere noch Zeit für Sie.« Er erhob sich schwungvoll. Nichts von alledem, was Lara bis

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