Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sündenkreis: Thriller (German Edition)

Sündenkreis: Thriller (German Edition)

Titel: Sündenkreis: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Puhlfürst
Vom Netzwerk:
saßen und warteten. Es war still im Raum, auffällig still: Niemand murmelte, kein Geschirr klapperte, die Kinder plapperten nicht, sondern saßen wie kleine Zinnsoldaten auf ihren Stühlen; alle Blicke waren auf die unbekannte Besucherin gerichtet. Erst als Romain Holländer hinter ihr ein unsichtbares Zeichen gab, erwachte die ganze Gesellschaft aus ihrem Dornröschenschlaf. Aber auch jetzt waren sie dabei leise. Lara folgte dem Sektenführer bis zu einem Tisch an der Fensterfront und versuchte, unauffällig die Menschen zu beobachten. Gleichzeitig fragte sie sich, warum Jo noch nicht angerufen hatte. Es erschien ihr unwahrscheinlich, dass er zum Fotografieren bei dem vermeintlichen Leichenfund zwei Stunden brauchte. Aber womöglich war noch ein anderer Auftrag hereingekommen. Sie beschloss, jetzt nicht mehr darüber nachzudenken, sondern sich voll und ganz dem Geschehen hier zu widmen. Auf dem Heimweg war immer noch genug Zeit, den Freund anzurufen.
    »Ich habe es mindestens fünfmal probiert.« Jo drückte ein paar Tasten seines Handys. »Sechsmal, um genau zu sein. Aber du bist einfach nicht rangegangen.«
    »Das ist merkwürdig.« Auch Lara hatte ihr Mobiltelefon in der Hand. »Vor zwei Minuten erst habe ich die Meldung bekommen, dass in meiner Abwesenheit Anrufe eingegangen sind. Da drin«, sie zeigte auf das verschnörkelte Tor der Sektenvilla, »gab es anscheinend keinen Empfang.« Sie musterte die Auffahrt. Die Blätter der verschneiten Rhododendronbüsche waren in der Kälte zu schmalen dunklen Röhren eingerollt. Jos Honda hatte auf der gegenüberliegenden Straßenseite geparkt, als sie endlich – es war bereits halb acht – herausgekommen war, den Kopf voller widersprüchlicher Eindrücke. Er stehe hier seit halb sieben, hatte er ihr erklärt.
    »Jedenfalls bin ich froh, dass du da heil wieder rausgekommen bist.« Jo schaute nach vorn. Weiße Flocken landeten auf der Windschutzscheibe und zerflossen zu winzigen Tröpfchen. Es war warm im Auto. Der Motor schnurrte. »Noch ein paar Minuten länger und ich wäre da reingestürmt und hätte nach dir gesucht.«
    »Ich hätte doch auch längst weg sein können. Woher wusstest du, dass ich noch drin war?«
    »Intuition. Außerdem wärst du doch sonst ans Telefon gegangen, oder?«
    »Da hast du auch wieder recht. Ich habe an der sogenannten Abendspeisung teilgenommen.« Lara malte mit dem Zeigefinger einen Kreis auf die beschlagene Scheibe ihres Fensters und berichtete über den Ablauf des Besuches. »Dieser Romain Holländer macht einen ganz seriösen Eindruck. Allerdings bin ich nicht dazu gekommen, mit seinen Leuten zu reden. Er hat mich die ganze Zeit über abgeschirmt. Ich saß bei ihm am Tisch und wurde von einer älteren Frau bedient. Es gab keine Gelegenheit, sich unbeobachtet mit Sektenmitgliedern zu unterhalten.«
    »Welchen Eindruck hattest du denn von ihnen? Wirkten sie eingeschüchtert oder ängstlich?«
    »Eher zurückhaltend. Die Kinder waren ausgesprochen folgsam und still.«
    »Dann versuchen wir beim nächsten Mal, wenn ich dabei bin, einige von ihnen zu befragen.«
    »Gute Idee. Holländer hat jedenfalls nichts dagegen, dass ich noch einmal wiederkomme und einen Fotografen mitbringe.« Sie dachte kurz nach: »Bis jetzt könnte ich nicht sagen, dass dort etwas nicht gestimmt hat. Bis auf den fehlenden Handyempfang.«
    »Vielleicht blockieren sie die Signale?«
    »Warum sollten sie das tun? Du bist ein bisschen paranoid.« Lara sah zu ihm hinüber und stellte fest, dass Jo sie unverwandt ansah. Seine Pupillen waren groß und dunkel.
    »Vielleicht bin ich das.« Noch ehe sie über eine passende Antwort nachdenken konnte, beugte er sich zu ihr herüber, nahm ihren Kopf in beide Hände und drückte seinen Mund auf ihren. Lara spürte die weichen Lippen, das leichte Kratzen seines Kinns und die Wärme seiner Handflächen an ihren Wangen, während ihr Herz einen Stolperschlag tat und dann vorangaloppierte. Der Moment dauerte nur wenige Sekunden, dann löste er sich von ihr und sah sie an. »Entschuldige.«
    »Ist OK .« Lara betrachtete ihr Handy, das sie noch immer in der Rechten hielt, als habe sie es noch nie gesehen. Ihre Wangen glühten.
    »Wollen wir irgendwo etwas essen?« Jo klang heiser.
    »Hunger habe ich nicht. Da drin gab es Suppe und zum Nachtisch Pudding, und es hat sehr gut geschmeckt. Ich glaube, die kochen selbst.«
    »Dann etwas trinken?« Er war hartnäckig. »Ich muss dir unbedingt von der Leiche in der Bankfiliale erzählen.

Weitere Kostenlose Bücher