Suendenpakt
dann wendet er sich ab. Nichts hat sich geändert. Er geht auf die Fünfzig zu, doch seine schlappe Haltung entspricht der eines Achtzehnjährigen.
Der Typ hat beim Alphabet von hinten angefangen, so dass ich mich, um ihm nicht in die Quere zu kommen vom anderen Ende aus munter von AC/DC über Clash zu Fleetwood Mac vorarbeite.
Als er geht, nehme ich eine Neuauflage von Rumors mit an die Kasse.
»Klassisch«, sagt Sean.
»Gefällt sie dir? Ich war mir sicher, du würdest sie für seicht und schnulzig halten.«
»Im Gegenteil, Kate, ich habe sie vor einer Stunde laufen lassen. Ich und Gott und die Welt konnten gar nicht genug davon kriegen.«
»Außerdem passt der Titel ganz gut«, sage ich.
»Ich verstehe nicht ganz.«
»Du weißt schon: Rumors - Gerüchte.«
Sean wirkt etwas enttäuscht, aber ich weiß nicht, ob wegen des Themas oder meines Versuchs, lustig zu sein.
»Bist du deswegen hier?«
»Bin ich, Sean.«
»Du meinst, um Informationen über Feifer, Walco und Rochie zu sammeln?«, vergewissert er sich.
»Oder irgendwas, das uns bei der Klärung hilfreich sein könnte, warum jemand die drei Jungs umbringen wollte.«
»Selbst wenn ich was wüsste, bin ich mir nicht sicher, ob ich es dir erzählen würde.«
»Weil man dir gesagt hat, du sollst es nicht tun.«
Sean sieht mich an, als hätte ich ihn gerade auf die schlimmste Weise beleidigt. »Mir könnte die Sache ja egal sein, aber diese drei Typen waren meine Freunde, und jetzt können sie sich leider nicht mehr selbst verteidigen.«
»Wir versuchen nur, herauszufinden, wer sie umgebracht
hat, Sean. Wenn du ihr Freund warst, willst du das doch bestimmt auch wissen.«
»Erspar mir den Vortrag, Kate«, wehrt Sean ab, bevor er sein Gesicht zu diesem herrlichen Dunleavy-Lächeln verzieht. »Willst du diese CD jetzt kaufen, oder bummelst du nur hier rum?«
»Ich kaufe sie.«
Ich gehe in der angenehm kühlen Luft mit meiner CD zu einer dunklen Bank ein paar Türen weiter, zerreiße das Zellophan und betrachte die elegante Straße.
Neben der Bank steht ein Postkasten. Ich bin nicht der einzige Sounds-Kunde, der hier den ersten Zwischenstopp eingelegt hat: Die blaue Oberfläche des Postkastens ist mit Hunderten kleiner abgezogener CD-Sticker übersät, und jetzt gehört auch Rumors zu der Collage.
Rumors ist sogar noch besser als in meiner Erinnerung, und als ich bei Macks Haus ankomme, bleibe ich im Wagen sitzen, um sie mir bis zum Ende anzuhören.
Schließlich gehe ich hinein. Mack schnarcht auf dem Wohnzimmersofa und lässt sich von meinem piepsenden Telefon nicht stören.
»Hier ist Sean«, flüstert eine Stimme am anderen Ende. »Ich habe was gehört, Kate, von Leuten, denen ich vertraue. Also, in den letzten paar Wochen haben Feif, Walco und Rochie Stoff verkauft. In diesem Sommer war Crack der Renner hier draußen, besonders auf der Beach Road. Es heißt, die drei haben sich darauf eingelassen. Sobald man anfängt, das Zeug zu rauchen, kommt man an einem Wochenende von null auf hundert. Soweit ich jedenfalls weiß. Und, gefällt dir die CD?«
»Ganz toll. Danke, Sean. Danke für alles.«
Ich drücke die Austaste und blicke zu meinem schlafenden
Gastgeber. Dankbar darüber, dass sich Mack kein einziges Mal bewegt hat, ziehe ich die Decke bis zu seinem Kinn und gehe nach oben.
Dann erzählt man sich also, die toten Jungs hätten Crack geraucht. Ob das wohl stimmt?
59
Tom
Mit dem Anruf von meinem Neffen Sean scheint die frustrierende Blockade in dem Fall gelöst worden zu sein, weil gleich am nächsten Nachmittag der achtzehnjährige Jarvis Maloney die knarrende Treppe zu unserem Büro heraufkommt. Er ist unser erster Besucher seit einer Woche. Wingo, ganz außer sich, nimmt ihn erst mal für sich in Beschlag.
»Mir ist da etwas eingefallen, das vielleicht völlig unwichtig ist«, meint er. »Aber der Trainer hat gesagt, ich soll es Ihnen trotzdem erzählen.«
Jeden Sommer zeigt die Gemeinde von East Hampton, was sie vom Zustrom der nichts konsumierenden Besucher hält, indem sie eine Jugendarmee aus Knöllchenschreibern auf sie loslässt. Mit braunen Hosen und weißen Hemden verkleidet, defilieren sie die Main Street auf und ab, kennzeichnen Reifen mit Kreide und schreiben Strafzettel. Eine wandelnde Gelddruckmaschine für die Stadt. Jarvis, ein schwachköpfiger Highschool-Schüler, der zufällig auch im Footballteam der Highschool von East Hampton den Noseguard spielt, gehörte während des Sommers ebenfalls zur Infanterie. Sobald wir
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