Suendenpakt
hätte sie uns sicher noch überfahren.
»Sei’s drum«, sage ich.
»Sehr gut.« Kate nickt. »Du lernst schnell.«
57
Tom
Im Dreck wühlen, um in einer Stadt wie Montauk über seine Kumpel etwas herauszubekommen, ist viel einfacher gesagt als getan.
Walcos Vater schlägt uns die Tür vor der Nase zu. Rochies Bruder schnappt sich eine Waffe und gibt uns dreißig Sekunden, um von seinem Grundstück zu verschwinden. Und Feifers Mutter, eine liebe Frau, die drei Tage in der Woche ehrenamtlich in der Bücherei von Montauk arbeitet, überschüttet uns mit so bösen und ordinären Flüchen, dass sie bei Dantes übelsten Gefängniskollegen bestens angekommen wäre.
Von Feifers, Walcos und Rochies alten Freunden und Kollegen werden wir ebenfalls mit einem Arschtritt verabschiedet. Selbst Exfreundinnen, deren Herzen die nun toten Jungs einst gebrochen hatten, schützen ihre Erinnerungen mit jähzornigem Eifer, sobald sie uns sehen.
Dante glaubt, von ortsansässigen Anwälten vertreten zu werden sei eine Hilfe, aber im Moment ist es nur ein Hindernis, weil die Bevölkerung unsere Entscheidung zu etwas Persönlichem gemacht hat. Schon Kate oder mich auf der Straße zu grüßen bedeutet für sie, dem Feind zu helfen und ihn zu begünstigen.
Wie ein Paria behandelt zu werden ist für mich härter als für Kate. Sie hat seit Jahren nicht mehr hier gewohnt, und durch die Arbeit bei Walmark, Reid & Blundell hat sie ein dickes Fell bekommen.
Doch der ausbleibende Erfolg nagt an ihren Nerven, und nach einer Woche, als wir trotz unserer Bemühungen nur
wenig vorzuweisen haben, hat mein enges Dachgeschossbüro seinen romantischen Reiz verloren, ebenso wie die unsinnig laut knarrende Treppe, die zum Chiropraktiker nebenan führt. Mir andererseits gefällt es, Kate um mich zu haben. Das gibt mir Vertrauen. Und das Gefühl, dass alles wirklich ist.
Beim nächsten Patienten des Chiropraktikers platzt Kate der Kragen. »Ich komme mir hier wie in einer Geisterbahn vor!«, schimpft sie.
»Ich mache dir einen Kaffee.«
Der nächste Laden, dessen Besitzer uns höchstwahrscheinlich nicht vergiften würde, ist eine halbe Stunde entfernt, weswegen ich meine Kaffeemaschine von zu Hause mitgebracht habe. Aber selbst die bewährte Kombination aus Koffein und Verzweiflung scheint nicht mehr zu funktionieren.
»Wir müssen jemanden von außerhalb finden«, sagt Kate schließlich. »Jemanden, der hier aufgewachsen ist, sich aber nicht angepasst hat.«
»Du meinst, jemand anderen als uns beide?«
»Jemanden, der bereit ist, mit uns zu reden, Tom. Los, denk nach. Wen können wir anzapfen?«
Ich denke nach. »Wie wär’s mit Sean?«, fällt mir schließlich ein.
»Er war mit allen dreien befreundet. Mein Gott, außerdem ist er Rettungsschwimmer. Ich denke eher an einen Außenseiter.«
»Er ist kein Paria, Kate, aber er hat den Mumm, gegen den Strom zu schwimmen. Die Leute reden mit Sean. Ihm könnte was zu Ohren gekommen sein.«
»Meinst du, du hast mehr Glück, wenn du mit ihm allein redest?«
Ich schüttle den Kopf. »Eigentlich denke ich, dass du mehr Glück hast, weil ich sein Onkel bin. Außerdem steht er vielleicht auf dich.«
Kate verzieht ihr Gesicht. »Wie kommst du darauf?«
»Ich weiß nicht. Was spricht dagegen?«
58
Kate
Das L. I. Sounds, wo Toms Neffe Sean arbeitet, seit die Stühle für die Rettungsschwimmer fortgeräumt wurden, gehört zu den wenigen Geschäften, die in East Hampton noch geöffnet sind. Allerdings ist mir nicht klar, warum.
Um neun Uhr abends befinden sich außer mir noch genau zwei Menschen in dem hell erleuchteten, engen Laden. Sean steht vorne an der Kasse, während der einzige andere potenzielle Kunde zwischen den Regalen umherstreift. Sean ähnelt eher seinem Onkel Tom als seinem Vater Jeff und sieht mit seinen blonden, langen Haaren richtig gut aus.
Ich blicke mich im Laden um. Das Sounds wird in meinem Herzen immer einen besonderen Platz haben. Bis zur Eröffnung des Einkaufszentrums in Bridgehampton war es der einzige Plattenladen im Umkreis von fünfzig Kilometern. Mit Postern von Hendrix, Dylan und Lennon an den Wänden und einer Phalanx von Fanatikern, die über den immerwährenden Unterschied zwischen guter und schlechter Musik predigten, kam man sich vor, als beträte man eine Kirche.
Sean lächelt mir freundlich zu, als ich ins Licht trete, und legt eine verträumte CD auf, die ich nicht kenne.
Der andere Kunde, ein großer, dürrer Kerl mit Drahtgestellbrille, blickt mich an,
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