Suendenpakt
ein Sinnbild dessen, was er schon alles mitgemacht hat.
Ohne wirklich zu wissen, was ich tue, lege ich meine Hand auf seine.
Toms Hand zuckt, und er blickt mich überrascht an. Genauso schnell wendet er sich ab. Warum habe ich das getan? Ich bin mir nicht sicher. Vielleicht liegt es an seinem Mut und seinem Charme, mit dem er Rothstein gegenübergetreten ist, und an dem Sieg, den er wieder einmal aus dem Ärmel geschüttelt hat. Oder an dem, was wir im vergangenen Jahr durchgemacht haben. Oder vielleicht wollte ich es schon seit Monaten tun.
Aber ich bereue es nicht - und um Tom zu zeigen, dass es kein Zufall war, sondern beabsichtigter Wahnsinn, lege ich meine Finger um seine.
Die nächste halbe Stunde herrscht im Wagen eine ganz
andere Art von Stille. »Ich hole dich um halb acht ab«, ist das Einzige, was Tom den ganzen Weg über sagt, aber als er vor Macks Haus hält, habe ich das Gefühl, als hätten wir stundenlang miteinander geredet.
»Schlaf gut«, wünsche ich ihm und springe aus dem Wagen. »Das hast du gut gemacht, Tom. Ich bin stolz auf dich.«
Das lässt Tom auf eine Art lächeln, die ich nicht mehr gesehen habe, seit wir Kinder waren.
Vierter Teil
Kaltblütig
88
Kate
Um Viertel nach acht drängen sich auf dem großen Parkplatz vor dem Gerichtsgebäude die Medienvertreter. TV-Fahrzeuge besetzen die Reihen, die dem Haupteingang am nächsten liegen; dicke schwarze Kabel laufen in alle Richtungen über den Asphalt.
Reporter, von der Hüfte abwärts in bequemem Knitterlook, von der Hüfte aufwärts tadellos geschniegelt und gestriegelt und die Gesichter mit Schminke zugekleistert, stehen zu den ersten Außenaufnahmen im runden, gleißenden Scheinwerferlicht.
Tom und ich winden uns durch den chaotischen Fuhrpark und marschieren forsch zum Eingang, bevor uns der journalistische Mob erwischt.
Wir haben die Zeit gut abgepasst, weil in diesem Moment alle Kameras auf einen eleganten schwarzen Mann gerichtet sind, der theatralisch auf den Stufen zum Gericht posiert. Als wir vorbeihuschen, sehe ich, dass es kein Geringerer als T. Smitty Wilson ist. Offenbar hat er beschlossen, der Stadt endlich seine Aufwartung zu machen.
In den vierzig Reihen im Gerichtssaal warten mindestens dreihundert Zuschauer, die durch einen Mittelgang getrennt sind. Dantes Unterstützer, die selbst aus Kalifornien angereist sind, füllen die linke Hälfte des Saals. Auf der rechten Hälfte sitzen diejenigen, die einen weniger weiten Weg zurückgelegt haben, um die Familien der Opfer zu unterstützen. Die meisten von ihnen kenne ich schon mein ganzes Leben lang.
Die geteilte Menge wird umrundet von mindestens fünfzig Polizisten, was in diesem Fall seine Berechtigung zu haben scheint. Die Beamten aus dem Sheriff’s Department stehen Schulter an Schulter entlang der Wände, hinter den Geschworenenbänken und rechts und links des Richterpodiums.
Außer unter den Journalisten in den ersten beiden Reihen gibt es nur wenige Ausnahmen von der rassistisch getrennten Sitzplatzverteilung. Eine ist Macklin, die achtzigjährige Ausnahme von allen Regeln. Er sitzt zwischen Marie und Clarence, und gnade Gott demjenigen, der versucht, ihn von seinem Platz zu verscheuchen. Eine Reihe hinter ihm legen Jeff und Sean den gleichen Trotz an den Tag.
Tom, der in einem Stapel Karteikarten blättert, hebt kaum den Kopf, als die zwölf Geschworenen und zwei Stellvertreter feierlich ihre Plätze einnehmen.
Aber das laute Keuchen, als Dante in Begleitung zweier County Sheriffs den Gerichtssaal betritt, können wir beide nicht überhören. Er trägt einen billigen blauen Blazer und Anzughosen, beides eine Nummer zu klein - im Gefängnis ist er ein ganzes Stück gewachsen. Er blickt auf den Boden, bis er sich zwischen uns gesetzt hat.
»Seid ihr beiden gut drauf?«, fragt Dante mit völlig ruhiger Stimme.
»Wir sind nicht nur gut drauf«, antworte ich. »Wir sind die Besten. Und wir sind bereit.«
Dantes leises Lächeln ist unbezahlbar.
Mit zwanzig Minuten Verspätung dringt die nasale Stimme des Gerichtsdieners durch den Saal. »Achtung! Die Anwesenden hier vor dem Obersten Gerichtshof des Suffolk County und dem ehrenwerten Richter Richard Rothstein mögen sich nun erheben!«
89
Tom
Der Staatsanwalt des Suffolk County, Dominic Ioli, schiebt seinen Stuhl zurück, klappt sorgfältig seine Brille zusammen und steckt sie in ein Lederetui. Erst als er dieses in der Tasche seines neuen grauen Anzugs versenkt hat, erhebt er sich und dreht sich zu
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