Suendenpakt
unsere Hoffnungen, als die Geschworenen Prozessmitschriften von Maries Zeugenaussagen verlangen. Diese Hoffnungen stürzen am Nachmittag in den Keller, als sie auch die von Nikki Robinson haben wollen. Ihre Mitschrift lese ich gerade, da schiebt Rothstein seinen Glatzkopf durch die Tür.
»Die Geschworenen sind zu einem Urteil gekommen«, meldet er.
104
Tom
Die Ersten, die eintreffen, sind Macklin und Marie. Marie ist von der ständigen Sorge so ausgezehrt, dass sie sich auf den armen Mack stützen muss. Nach ihnen rauschen die Eltern von Feifer, Walco und Roche und deren Freunde in den Saal wie Feuerwehrleute, die alles stehen und liegen ließen, um auf den Alarm zu reagieren.
Für die Verhandlung selbst wurde der Gerichtssaal in der Mitte zwischen Dante-Anhängern und den Sympathisanten aus Montauk geteilt. Aber weil so viele von Dantes Leuten von außerhalb gekommen waren, stammen die Zuschauer heute vor allem aus Montauk. Dante wird nur von einem kleinen, engen Kreis aus Getreuen vertreten: Clarence, Jeff und Sean mit einem »Lasst Dante frei«-T-Shirt sowie etwa ein Dutzend von Dantes Freunden und Mannschaftskollegen von der Highschool.
Als der Saal fast aus den Nähten platzt, drängen die Pressevertreter herein und nehmen ihre zugewiesenen Plätze ein.
Die Gerichtszeichner haben gerade ihre Staffeleien aufgestellt, als Dante zum letzten Mal in Handschellen hereingeführt wird. Er ist so nervös, dass er kaum unseren Blick erwidern kann, setzt sich zwischen uns und umklammert unter dem Tisch unsere Hände. Seine zittern und sind feucht. Meine auch.
»Halt die Ohren steif, Junge«, flüstere ich. »Die Wahrheit ist auf unserer Seite.«
Vor einer Stunde, als die Geschworenen ihr Urteil gefällt
haben, baten sie, zurück in ihre Zimmer gefahren zu werden, um zu duschen und sich umzuziehen. Jetzt defilieren sie in ihrem Sonntagsstaat in den Gerichtssaal, die Männer in Jackett und mit Krawatte, die Frauen in Rock und Bluse. Sobald sie Platz genommen haben, rauschen mit vornehmer Verspätung Steven Spielberg und George Clooney, teuer, aber dennoch salopp gekleidet, herein. Abgesehen von Shales, dem Drehbuchautor, ließ die Spitzenbesetzung der Besucher, je mehr sich der Prozess dahinschleppte, nach und nach zu wünschen übrig.
Aber die letzten zehn Minuten will niemand verpassen.
105
Tom
Plötzlich geht alles viel zu schnell. Der Gerichtsdiener schreit »Alles erheben«, Rothstein schwebt herein und klettert auf sein Podest, und die Obmännin der Geschworenen, eine winzige Frau über sechzig mit einer Brille mit großen Kunststoffgläsern, erhebt sich und dreht sich ihm zu.
»Haben die Geschworenen in allen vier Anklagepunkten eine Entscheidung getroffen?«, fragt Rothstein.
»Das haben wir, Euer Ehren.«
Dante blickt starr geradeaus, die Augen auf einen geheimen Fleck in seinem Innern gerichtet. Seine feuchte Hand packt fester zu. Ebenso die von Kate.
»Und welche Entscheidung haben Sie getroffen?«, fragt Rothstein.
Ich schiele zu Maries gequältem Gesicht, entdecke aber gleich dahinter das eher gefasste des Detectives aus Brooklyn, Connie Raiborne. Auch er scheint das Urteil nicht versäumen zu wollen.
»In der Anklage des Mordes an Eric Feifer«, beginnt die Obmännin mit klarer, kräftiger Stimme, »befinden die Geschworenen den Angeklagten, Dante Halleyville, für nicht schuldig.«
Meine Hand in der von Dante fühlt sich an, als hätte sie sich in einer Maschine verfangen. Hinter uns kämpfen die gequälten Schreie gegen Hallelujahs und Amens an. Rothstein unternimmt alles, um beide mit seinem Hammer zum Schweigen zu bringen.
»Und in der Anklage wegen Mordes an Patrick Roche und
Robert Walco befinden wir den Angeklagten, Dante Halleyville, für nicht schuldig«, fährt die Obmännin fort.
Der Gerichtssaal tobt, die Polizisten entlang der Wände richten sich auf. Zehn Sekunden trennen Dante vom Rest seines Lebens.
»Und welche Entscheidung haben die Geschworenen im Mordfall an Michael Walker getroffen?«, fragt Rothstein.
»Die Geschworenen befinden den Angeklagten, Dante Halleyville, für nicht schuldig.«
Die grauhaarige Frau spricht diese beiden Worte mit besonderer Betonung aus, doch bevor sie ganz über ihre Lippen sind, teilt sich der Gerichtssaal. Marie und Clarence müssen das Gefühl haben, Dante wäre von den Toten auferstanden, und für Feifers Mutter, die eine laute Wehklage anstimmt, scheint Eric vor ihren Augen ein zweites Mal umgebracht zu werden. Jubel und Flüche,
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