Suendenpakt
die Augen. Ihre sind noch ganz verschlafen, aber wunderschön, und der Wind peitscht ihr rotes Haar um ihr Gesicht.
»Wer bist du, Tom?«
»Ich dachte, die Sitzung wurde vertagt.«
»Das meine ich ernst, Tom.« Kate sieht aus, als würde sie gleich anfangen zu weinen.
»Ein Mensch, der sich geändert hat. Ein Mensch, der Fehler gemacht hat. All das habe ich jetzt hinter mir.«
»Warum sollte ich das glauben?«
»Weil es bei dieser ganzen Sache genauso um dich wie um Dante geht. Weil ich dich liebe, seit ich fünfzehn bin, Kate.«
»Sag nicht Dinge, die du nicht meinst, Tom. Bitte. Ich bin so doof und glaube sie. Auch zum zweiten Mal. Ich erinnere mich noch, wie du mich angerufen hast, um zu sagen, dass du mich nicht liebst. Du warst so kalt. Vielleicht hast du das schon vergessen.«
Die Verzweiflung schnürt mir fast die Kehle zu. »Ach, Kate, wenn es keine Möglichkeit mehr gibt, dein Vertrauen zurückzugewinnen, musst du mir das jetzt sagen, weil ich nicht weiß, was ich sonst noch tun soll. Weißt du, was damals wirklich los war? Ich habe mich deiner nicht würdig gefühlt, Kate.«
Vielleicht ist es die Verzweiflung in meiner Stimme, die sie überzeugt. Jedenfalls zieht sie mich am Hals nach unten und küsst mich auf den Mund.
»Ich warne dich«, flüstert sie mir ins Ohr. »Wenn du das noch einmal versaust, kriegst du’s mit Macklin zu tun. Liebst du mich, Tom?«
»Kate, du weißt, dass ich das tue.«
Sie zieht ihr T-Shirt über den Kopf und lässt ihre Hose
nach unten rutschen. Mit ihren weißen sommersprossigen Schultern und dem roten Haar sieht sie schöner aus als diese Frau auf dem Gemälde, die an der Küste steht. Ich strecke eine Hand aus, und als ich den winzigen Silberring berühre, der in ihrer linken Brustwarze steckt, öffnet sie den Mund und lässt den Kopf nach hinten fallen.
»Seit wann hast du dieses Piercing?«, flüstere ich und greife wieder nach ihr.
»Welches meinst du, Tom?«
103
Kate
Es ist furchtbar, so glücklich zu sein - oder auch nur ein bisschen Glück zu empfinden -, während Dante im Gefängnis sitzt und sein Leben in den Händen von zwölf fehlbaren Geschworenen liegt. Aber was kann ich tun? Ich bin auch nur ein Mensch, und Menschen können ihre Gefühle nicht kontrollieren. Ich bin einfach glücklich. Und es geht mir furchtbar damit.
Es ist Sonntagnachmittag, Tom und ich liegen immer noch auf dem Strandtuch, allerdings in seinem Wohnzimmer auf dem Boden. Ich lehne mich, die New York Times auf meinem Schoß, gegen sein Sofa und suche nach Artikeln, die ich die ersten Male vielleicht unterschätzt habe.
Tom sitzt neben mir und tut das Gleiche, Wingo liegt schnarchend zwischen uns. Seit sechsunddreißig Stunden sitzen wir so da, und trotz der Belastung durch das bevorstehende Urteil der Geschworenen und der zugezogenen Vorhänge, die uns gegen die Fotografen und Kameraleute auf der anderen Straßenseite abschotten, habe ich das Gefühl, als wären wir nicht erst seit zwei Tagen zusammen, sondern schon seit Jahren. Eigentlich waren wir das ja auch. Ich versuche, die Vergangenheit auszuschalten, aber wenn sie nach oben blubbert, sind es meist die guten Dinge, nicht der Bruch. Die vergangenen zehn Jahre haben Tom - zumindest ein bisschen - bescheidener werden lassen, und dafür liebe ich ihn.
Ich stehe auf, um Exile on Main Street herauszunehmen und Let It Bleed einzulegen, Tom räumt das Geschirr ins
Spülbecken und öffnet eine Dose für Wingo. Während sich Wingo in seine Schüssel vertieft, setzt sich Tom wieder auf den Boden und berührt meine Zehenspitze mit seiner. Das reicht schon als Auslöser, damit wir uns gegenseitig zwischen den Beinen fummeln und uns ausziehen.
Wie gesagt, wir sind nur Menschen, aber es kommt mir trotzdem falsch vor - und ich bin erleichtert, als wir Montag früh die Pressekarawane nach Riverhead anführen.
Tom und ich werden in ein kleines Zimmer am Ende des Flurs geschickt, an dem Rothsteins Räume liegen. Dort verbringen wir den Tag, wägen zum hundertsten Mal im Nachhinein alle getroffenen Entscheidungen und Verhörtaktiken ab und versichern uns gegenseitig ohne großen Erfolg, das Richtige getan zu haben. Den ganzen Tag über hören wir von den Geschworenen kein Wort. Sie werden am Abend um halb sechs zurück ins Ramada Inn gefahren, wir kehren auf Toms Wohnzimmerboden zurück.
Der Dienstag vergeht genauso langsam.
Und der Mittwoch ebenso.
Aber wenn ich ehrlich bin, genieße ich die Zeit mit Tom. Donnerstagmorgen steigen
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