Suendenpakt
Kopf gehalten hat. Auf diese Weise konnten wir den Schwarzen die ganze Sache anhängen, und ich denke, ja, gut, vielleicht kommen wir damit genauso durch wie mit allem anderen auch.
Aber als der Wunderknabe jetzt die Wagentür öffnet, wirkt er wie verwandelt und entrückt, so dass sein Name nicht mehr zu passen scheint. Und als er hinters Lenkrad rutscht und eiskalt »Was ist los?« fragt, nenne ich ihn wieder bei dem Namen, den ich fünfzehn Jahre lang verwendet habe, bevor er damals bei der Polizei aufkreuzte.
»Verdammt, wenn ich das nur wüsste«, antworte ich. »Was ist mit dir los, Tom?«
Er ist ganz Ohr. Nie echte Namen zu verwenden ist eine noch strengere Regel zwischen uns als die, kein Geld auszugeben. Doch bevor er sich zusammenreißen kann, wirft er mir denselben harten Blick zu wie Feifer, Walco und Rochie, bevor er ihnen zwischen die Augen geschossen hat. Dann überdeckt er diesen Blick mit einem Lächeln. »Sean, warum nennst du mich Tom?«
»Weil die Party vorbei ist, Onkel. Wir sind geliefert.«
108
Tom
»Vielleicht finden wir noch einen Ausweg«, sage ich, während ich Kates Jetta starte und in der matschigen Ausfahrt vorsichtig zurücksetze. Weil alle Nachbarn im Umkreis von zwei Kilometern bei Marie feiern und es stark regnet, ist die Straße noch verwaister als sonst. »Wieso bist du so sicher, dass es aus ist, Neffe? Was ist passiert?«
»Raiborne ist passiert«, antwortet Sean. »Gleich nach dem Urteilsspruch bin ich rausgestürmt, aber Raiborne stand schon an meinem Wagen. Dieses Arschloch hat auf mich gewartet. Muss losgerannt sein, um vor mir dort zu sein, aber falls er außer Puste war, hat er sich nichts anmerken lassen. Er hat sich vorgestellt und gesagt, seit drei Minuten seien die Mordfälle Eric Feifer, Patrick Roche, Robert Walco und Michael Walker wieder offen. Genauso wie der ungeklärte Mord an Señor Manny Rodriguez. Dann hat er gelächelt und gesagt, der einzige Verdächtige, den er für alle fünf Morde hat, sei ein psychopathischer Drogenhändler namens Loco.
Ich wollte wissen, warum er mir das erzählt, da hat er mich verschmitzt angeschaut und gesagt: ›Weil ich ziemlich sicher bin, dass Sie es sind, Sean. Sie sind Loco!‹«
Wir sind auf der Route 41, aber es regnet so stark, dass ich höchstens fünfzig fahren kann. An der verrammelten Tankstelle bremse ich ab und biege gleich dahinter auf eine andere deprimierende kleine Straße ab.
Ich blicke zu Sean hinüber - und lächle. »Hm, um Detective Raiborne brauchst du dir keine Sorgen mehr zu machen.«
»Ehrlich?«
»Ehrlich. Bei mir war er auch. Ist heute Nachmittag zu mir nach Hause gekommen, kurz nachdem Clarence mit Kate zu Marie gefahren ist. Er meinte, er könne sich nicht vorstellen, warum ich so viel über die Morde wusste - über die untergeschobene Waffe, über die Fingerabdrücke und den fingierten Anruf von Feifer und dass Lindgren nicht sauber war. Bis ihm klar geworden sei, dass ich auch was damit zu tun haben müsse.«
»Was hast du dann gemacht?«
»Ich wollte ihn fragen, ob er schon mal auf Antigua oder einer dieser Inseln war. Ob er jemals daran gedacht hat, in Frührente zu gehen. Aber mir war klar, dass es nur Zeitverschwendung sein würde.«
»Und? Was hast du dann gemacht?«, bohrt Sean nach, blickt aber zur Seite, weil er die Antwort schon kennt.
»Was ich tun musste. Ich kann dir sagen, der Typ wiegt locker seine hundert Kilo. Ich habe ihn kaum in den Kofferraum gekriegt.«
»Jetzt bringst du schon Polizisten um, Tom?«
»Ging nicht anders.« Hinter uns rast ein Streifenwagen aus East Hampton mit eingeschalteter Sirene in die Richtung, in der Marie wohnt.
»Wieso konnte sich Dante nicht seinen eigenen Anwalt suchen? Wieso musstest du wieder den großen Star spielen und mit deiner Freundin im Rampenlicht stehen? Oder wieso hast du Dante nicht verlieren lassen?«
Die im dichten Regen kaum sichtbare Straße steigt auf der Höhe eines verlassenen Wohnwagenplatzes leicht an.
»Wahrscheinlich hast du noch nichts von Wiedergutmachung gehört, Neffe.«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Die Chance, einen Fehler wie den meinen wiedergutzumachen, bekommt man nur einmal im Leben, Sean.«
»Ist es dafür nicht ein bisschen zu spät, Onkel?«
»Was meinst du damit?«
»Die Vergangenheit rückgängig zu machen? Von vorne anzufangen?«
»Ach, für eine Wiedergutmachung ist es nie zu spät, Sean.«
109
Tom
Jetzt regnet es so stark, dass ich die Straße auch bei den auf Stufe zwei
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