Sündige Gier
Mörder überführt wären.
»Was denn?«, wollte Derek wissen, und als weder sie noch Dodge antwortete, wiederholte er wütend: »Verflucht noch mal, was ist?«
Julie versuchte zu sprechen, aber die Zunge klebte ihr am Gaumen. Flehend stammelte sie seinen Namen und verstummte dann.
Dodge hievte sich aus dem Stuhl und ging zur Tür. Er hatte schon den Türknauf in der Hand, als er sich noch einmal umdrehte. »An diesem Dienstag hatten Sie keines Ihrer üblichen nachmittäglichen Schäferstündchen. Sie und Wheeler hatten an diesem Tag etwas zu feiern. Nicht wahr, Ms Rutledge?«
Weil sie immer noch kein Wort herausbrachte, nickte sie.
»Sanford und Kimball mussten dafür zu ihrem Vorgesetzten gehen und ihn um Rückendeckung bitten. Er hat sich Wheelers Anwalt vorgeknöpft, aber selbst dann mussten sie Strafantrag stellen, bevor der Anwalt die Akte rausgerückt hat.«
»Was für eine Akte?«, fragte Derek.
»Paul Wheelers Testament. Er hatte es ändern lassen. Es ist noch nicht bestätigt, aber Ms Rutledge wird voraussichtlich sein gesamtes Vermögen erben. Seinen Anteil am Unternehmen, seinen Grundbesitz. Alles bis auf den letzten Cent.«
Die Worte hallten nach wie Totengeläut, dann breitete sich stickige Stille aus.
Derek starrte Julie fassungslos und mit mühsam gezügeltem Zorn an.
Sie schüttelte ganz langsam den Kopf, denn sie wusste, dass sie in diesem Moment, was sie auch antwortete, nur das Falsche sagen konnte.
Dodge meinte: »Ich bin draußen.«
Ein paar Minuten später folgte Derek ihm in den Innenhof, wo das Hotel nachmittags Tee servierte, wenn es das Wetter zuließ. Der schattige und heiter wirkende Patio war auf drei Seiten von efeubewachsenen Backsteinmauern umschlossen und auf der vierten Seite durch eine undurchdringliche Hecke von der Straße abgeschirmt. In der Mitte stand ein steinerner Brunnen, in dem das Wasser über einen Leier spielenden Cherub tröpfelte.
Sie waren hier ungestört.
Derek setzte sich an den kleinen schmiedeeisernen Tisch, an dem sich Dodge bereits eine filterlose Camel angesteckt hatte. Eine Weile saßen sie nur da. Derek beobachtete einen Kolibri, der von einer Hibiskusblüte zur nächsten schwirrte. Dodge starrte ins Leere und rauchte.
Schließlich sah er Derek an. »Hast du sie bestiegen?«
»Seit dem Flug?«
»Seit dem Frühstück.«
Derek schniefte. »Mehr oder weniger.«
Dodge nickte und stampfte seine Zigarette aus. Dann zündete er die nächste an. »Das Testament hat sie aber nie erwähnt.«
»Nein.«
»Kein guter Zeitpunkt, um davon zu erfahren.«
»Wem sagst du das.«
»Was hat sie jetzt dazu gesagt?«
»Nichts. Ich habe ihr keine Zeit gelassen. Ich musste an die frische Luft, musste den Kopf freibekommen.«
»Ist er schon wieder frei?«
»Keine Spur.«
»Und was wirst du jetzt unternehmen?«
»Verflucht, wenn ich das nur wüsste.« Derek stand auf und ging vor den mit Flechten bewachsenen Backsteinen auf und ab.
»Hast du mir nicht erzählt, sie hätte Ned Fulton als Anwalt verpflichtet?«
»Ja, und er ist gut.«
»Ich würde dir raten, sie ihm zu überlassen und die Finger von diesem ganzen Mist zu lassen, Anwalt.«
Derek marschierte weiter auf und ab, Dodge rauchte weiter. Ein paar Sekunden verstrichen, dann stellte Dodge fest: »Das wirst du nicht tun, oder?«
Derek blieb stehen und sah dem Kolibri dabei zu, wie er über einer Blüte schwebte, die wie ein großer roter Sonnenschirm leuchtete. »Es ist gut möglich, dass ihr jemand übel mitspielt, Dodge.«
»Das klingt verdammt melodramatisch.«
»Genau darum geht es. Maggies Kopf abzuschneiden war melodramatisch. Wir können Creighton und sein Faible für Melodramatik nicht außen vor lassen. Er ist heimtückisch. Er ist eine verfluchte Schlange. Wie Julie schon gesagt hat, er hat kein Gewissen. Er ist eingebildet und hundertprozentig davon überzeugt, dass er alles tun kann, was ihm nur einfällt, ohne dass ihm jemand etwas anhaben kann.«
»Und er hätte dasselbe Motiv, Wheeler umzubringen«, überlegte Dodge laut. »Das Erbe. Vielleicht wusste er, dass der gute Onkel kurz davor stand, sein Testament zu ändern, und wollte ihn beseitigen lassen, bevor Fakten geschaffen wurden.«
»Oder er hat erfahren, dass der Akt bereits vollzogen war, und ihn aus Rache umgebracht.«
»Aber wenn das so wäre, hätte er sie doch auch umlegen lassen, oder?«
Derek ließ sich dieses Szenario durch den Kopf gehen und versuchte, es mit Creightons Charakter und allem anderen, was Julie
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